Berlin Mindestlohn bedroht 100 000 Arbeitsplätze

Berlin · Ab Neujahr gilt die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro. Der Chef der Wirtschaftsweisen fordert von der Regierung Mut zu Korrekturen.

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, hat vor den Folgen des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde gewarnt, der ab morgen gilt. Er forderte die Bundesregierung zu Korrekturen auf, sofern die Regelung negative Wirkungen entfalte. "Wir haben nach wie vor die gut begründete Sorge, dass der Mindestlohn die Beschäftigungschancen der Schwächsten am Arbeitsmarkt verringern wird", sagte Schmidt unserer Zeitung. "Sollte sich das bewahrheiten, sollte die Politik mutig genug sein, den Mindestlohn in seiner Höhe und Ausgestaltung nochmals infrage zu stellen", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

"Zu befürchten ist ein Verlust von bestehenden Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor und vor allem auch, dass weniger neue Jobs entstehen, die ohne den Mindestlohn ansonsten entstanden wären", sagte Schmidt, der auch Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen ist. "Betroffen sind davon vor allem Arbeitnehmer bei Dienstleistern in strukturschwachen Regionen. Selbst eine Wirkung von lediglich 100 000 Arbeitsplätzen, die uns fehlen werden, wäre deutlich zu viel."

Der Mindestlohn gehört zu den am heftigsten umstrittenen Gesetzen der großen Koalition. Er gilt - bis auf wenige Ausnahmen in der Einführungsphase - ab morgen flächendeckend für alle Arbeitnehmer ab 18 Jahren. Eine mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzte Kommission soll alle zwei Jahre die Höhe des Mindestlohns neu festlegen.

Die Gewerkschaften gingen kurz vor dem Stichtag noch einmal in die Offensive und warnten die Arbeitgeber vor einer Umgehung. "Der Mindestlohn gilt ab 0.01 Uhr in der Neujahrsnacht - zum Beispiel für die Menschen, die im Hotel- und Gaststättengewerbe in dieser Nacht arbeiten", sagte das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Stefan Körzell.

Exakt zehn Jahre nach dem Start der Hartz-IV-Reformen zeigt sich der Arbeitsmarkt robust. Damals lag die Zahl der Arbeitslosen bei mehr als fünf Millionen. Im November betrug sie zuletzt 2,7 Millionen, bei einem nach wie vor hohen Bedarf an Fachkräften. Doch trotz dieses Fachkräftemangels erwarten Experten für das kommende Jahr eher eine Stagnation am Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit wird nach einer Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB bei 2,88 Millionen liegen. "Bei der Anzahl der Beschäftigten und der Arbeitslosen erwarten wir wenig Bewegung", betonte auch der Wirtschaftsweise Schmidt.

(RP)
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