Mexikos Seifenopern-Präsident

Der neue Präsident des vom Drogenkrieg gebeutelten Staates heißt Enrique Peña Nieto. Der mit der Schauspielerin einer populären Telenovela verheiratete Politiker profitierte von der Hilfe eines mächtigen Medienkonzerns. Die Probleme, unter denen das Land ächzt, sind gewaltig.

Nun hat auch Mexiko seinen fernsehtauglichen Präsidenten: Der blendend aussehende Enrique Peña Nieto hat die Präsidentschaftswahl klar gewonnen. Ihm zur Seite steht mit Ehefrau Angélica Rivera eine prominente Schauspielerin aus einer populären TV-Seifenoper. Peña Nieto versprüht den Charme eines Playboys. Vor allem bei den weiblichen Wählerinnen kam der vom mächtigen Fernseh- und Radionetzwerk Televisa unterstützte Ex-Gouverneur glänzend an. Peña Nieto hat die Partei der Institutionellen Revolution (PRI) wieder an die Macht zurückgeführt. Die Sozialdemokraten haben bis auf eine zwölfjährige Unterbrechung (Vicente Fox und Felipe Calderón 2000—2012) jahrzehntelang die Präsidenten Mexikos gestellt und feierten die Rückkehr an die Macht mit einem rauschenden Fest.

Doch mit den strahlenden Bildern des Wahlkampfs dürfte es nun erst einmal vorbei sein. Zu groß sind die Probleme, die Mexiko derzeit plagen. Wie beispielsweise im einstigen Jetset-Paradies Acapulco, das nur noch ein Schatten seiner selbst ist: Arbeitslosigkeit, rapide Wertverluste bei den Immobilien und eine fehlende Perspektive legen sich wie Blei über die Stadt mit ihrer wunderschönen Bucht. Seit die Drogenmafia auch hier immer mehr Einfluss gewinnt, bleiben die Touristen aus, und die historischen Hotels stehen leer. Wie eine Krake beherrscht die Drogenproblematik die Politik. In vielen Teilen des Landes hat die Mafia die Institutionen längst unterwandert. Polizei, Justiz, Armee und Politik arbeiten Hand in Hand mit den milliardenschweren Drogenkartellen. Wer trotzdem den Verlockungen des schnellen Geldes widersteht, landet schnell auf den Todeslisten der Drogenmafia. Die Bilanz von sechs Jahren Amtszeit von Präsident Felipe Calderón ist verheerend: Etwa 60 000 Menschen starben seit seinem Amtsantritt im mexikanischen Drogenkrieg. Internationale Menschenrechtsorganisationen, aber auch Politiker wie Calderons Vorgänger Vicente Fox halten den Drogenkrieg für gescheitert und fordern neue Maßnahmen.

Auch deshalb scheiterte Calderóns Partei am glänzend inszenierten Wahlkampf des jugendlichen Enrique Peña Nieto. Er setzte auf schöne Bilder und starke Gesten statt auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der brutalen Realität des Landes. Mit dem neuen Präsidenten verbinden die Menschen in Mexiko die Hoffnung auf bessere Zeiten. Obwohl Mexikos Wirtschaftsdaten positiv sind, kommt der Aufschwung bei weiten Teilen der Bürger nicht an. Im Gegenteil: Die Armut erfasst rund die Hälfte der Bevölkerung, Tendenz weiter steigend.

Wahlsieger Enrique Peña Nieto hat sich wie seine Konkurrenten mit öffentlichen Aussagen zurückgehalten, was den Kampf gegen die Mafia angeht. Er verspricht "mehr Sicherheit und eine Justizreform", wie immer die auch aussehen wird. Acapulcos Erzbischof Carlos Garfias Merlos hat klare Forderungen an den neuen Präsidenten: "Mehr Sicherheit, mehr Bildung und endlich eine funktionierende Armutsbekämpfung", sagte der Oberhirte der sterbenden Touristenmetropole unserer Zeitung. "Es kann nicht sein, dass es in einem digitalen Zeitalter immer noch Analphabeten gibt."

Frischen Wind in den eingefahrenen Wahlkampf brachte bis vor Kurzem die Studentenbewegung "Yo Soy 132", die in den sozialen Netzwerken gegen die eingefahrenen politischen Lager aufbegehrte und den nach Umfragen fast schon sicheren Sieg Peña Nietos in Gefahr zu bringen schien. Auch am Wahltag schwieg die Bewegung nicht, berichtete über zahlreiche Unregelmäßigkeiten an den Wahlurnen. Mal gingen Stimmzettel aus, mal waren die Lokale schon frühzeitig geschlossen. In den sozialen Netzwerke gab es gestern Stimmen von Wahlbetrug, zweifelsfreie Beweise gibt es dafür allerdings nicht.

Die Protestbewegung gründete sich, nachdem Mexikos mächtiger Mediengigant Televisa Sieger Peña Nieto im Wahlkampf allzu offensichtlich unterstützte. Auf die Rückendeckung des TV- und Radioimperiums, das Mexiko vor allem mit Sport und Telenovelas, aber weniger mit kritischem Journalismus beglückt, wird der neue Präsident setzen. Dessen erste Bewährungsprobe steht noch bevor. Beim Antrittsbesuch in Washington wird Sieger Peña Nieto Farbe in der Frage bekennen müssen, ob Mexiko seinen Krieg gegen die Kartelle fortsetzt oder gar auf eine Linie einer Legalisierung der Drogen umschwenkt, wie in vielen lateinamerikanischen Ländern gefordert. Das wiederum könnte auch Konsequenzen auf den US-Präsidentschaftswahlkampf haben.

(RP/pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort