Schwerpunkt Niedersachsenwahl Merkels Schotte

Er ist beliebt, volksnah, und die Kanzlerin schätzt ihn. Niedersachsens Regierungschef David McAllister ist Hoffnungsträger der CDU. Im Januar will er gewählt werden – nur ein Koalitionspartner fehlt ihm.

Er ist beliebt, volksnah, und die Kanzlerin schätzt ihn. Niedersachsens Regierungschef David McAllister ist Hoffnungsträger der CDU. Im Januar will er gewählt werden — nur ein Koalitionspartner fehlt ihm.

berlin David McAllister liebt seine Familie, seine Heimat Niedersachsen. Der CDU-Mann gilt als bodenständig und unprätentiös. Jede Landwirtschaftsausstellung in Ostfriesland zieht er der Promi-Party in Berlin vor. Der Halbschotte ist überzeugter Christ, skandalfrei, bierzelttauglich und Fußballkenner. Kurzum: ein Bilderbuch-Niedersachse.

In einem Land, das in seiner Hymne den Sturmerprobten und Erdverwachsenen huldigt, kommen Typen wie McAllister an. Die Landtagswahl am 20. Januar 2013 dürfte für den CDU-Ministerpräsidenten also ein Leichtes sein. Oder?

Mitnichten. Dem jüngsten CDU-Regierungschef in Deutschland droht mit 41 Jahren das vorläufige Aus seiner politischen Karriere. An ihm liegt das kaum: Mit einem Bekanntheitsgrad von 95 Prozent und Zustimmungswerten von 50 Prozent steht der Sohn eines Schotten und einer Deutschen gut da. Die Bilanz seiner schwarz-gelben Regierung — solide Haushaltspolitik, gute wirtschaftliche Entwicklung, ein friedfertiges Kabinett — ist ordentlich. Doch bereiten den Wahlkämpfern zwei "externe Effekte" große Sorgen: die Lage der FDP und Christian Wulff.

Zunächst: David McAllister fehlt der Koalitionspartner. In Umfragen liegt die CDU mit 37 Prozent vor der SPD (33 Prozent). Doch würde die FDP mit drei Prozent derzeit den Einzug in das Parlament verpassen. Das gilt auch für die Linken und die Piraten. Mit den Grünen (15 Prozent) könnte die SPD eine Mehrheit im Drei-Parteien-Parlament organisieren. Die FDP und ihr Spitzenkandidat, Umweltminister Stefan Birkner, kommen nicht vom Fleck. Der knochentrockene Ex-Richter wird als sympathisch, fleißig und kompetent beschrieben. Doch nur 17 Prozent der Niedersachsen kennen Stefan Birkner. Hinzu kommt Gegenwind aus Berlin. Die miesen Umfragewerte im Bund und die Negativberichte über den aus Niedersachsen stammenden FDP-Chef Philipp Rösler drücken die Stimmung.

Rösler ist beliebt in seiner Heimat, viele Liberale verdanken ihrem einstigen Landeschef Posten und Ämter. Der kleine Landesverband wird zudem familiär geführt. Man kennt sich, man schätzt sich. Doch auch die Rösler-Freunde sehnen sich nach Erfolgen.

Die Hoffnungen richten sich nun auf den Koalitionsausschuss in Berlin. Rösler soll Maßnahmen gegen den Strompreisanstieg und den Umbau der Öko-Förderung durchsetzen. Das Thema ist ein Herzensanliegen von Birkner. Einen Wahlkampf gegen die Bundespartei, wie es Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein und Christian Lindner in NRW erfolgreich vorgemacht haben, lehnt Birkner ab. Er ist ein Weggefährte Röslers, seine politische Karriere verdankt er ihm. Nun befürchten Liberale, dass am Ende ein Wahlkampf à la "FDP wählen, damit McAllister Ministerpräsident bleibt" geführt wird. Eine Bündniskampagne hatten Philipp Rösler und seine Freunde in den 90er Jahren kritisiert, als die Liberalen im Bund "FDP wählen, damit Kohl Kanzler bleibt" plakatierten.

McAllister schätzt Rösler. Die beiden eint vieles. Sie wurden jung zu Hoffnungsträgern ihrer Partei, beide sind Söhne von Soldaten und Väter von Zwillingen. In der CDU wird diskutiert, ob man dem Koalitionspartner mit einer Leihstimmenkampagne unter die Arme greift, um Rot-Grün zu verhindern. Bis Weihnachten wolle man die Umfragen der FDP abwarten, dann werde entschieden.

Und dann ist da noch die Causa Christian Wulff. McAllister wird die Debatte über seinen Vorgänger nicht los. Gegen den Ex-Bundespräsidenten ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover wegen Vorteilsannahme. Gut möglich, dass die Ermittlungen im Januar eingestellt werden. Wulff könnte ausgerechnet kurz vor den Wahlen öffentliche Wiedergutmachung verlangen — ein Horrorszenario für die Niedersachsen-CDU. Es war McAllister, der sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen das Staatsoberhaupt schnell von seinem früheren Förderer distanzierte. Die beiden haben heute keinen Kontakt mehr. Nicht einmal die neue Handy-Nummer von Wulff kenne McAllister, heißt es in Hannover. Mitarbeiter der Staatskanzlei müssen melden, wenn Christian Wulff sie in der Dienstzeit kontaktiert.

Die Nervosität hat auch die Bundes-CDU erreicht. Merkel braucht McAllister. Die CDU-Chefin will nach elf verlorenen Landtagswahlen endlich wieder einen Erfolg vorweisen. Sie weiß: Scheitert Schwarz-Gelb in Hannover, könnte es auch in Berlin eng werden. Auch deshalb schaltet sich Merkel ungewöhnlich intensiv in den Wahlkampf ein. Rekordverdächtige zehn Auftritte wird sie in Niedersachsen absolvieren.

Gewinnt McAllister doch, ist er möglicher Nachfolger Merkels. "In der Generation der CDU-Politiker zwischen 40 und 50 Jahren ist McAllister herausragend", sagt Enak Ferlemann, CDU-Abgeordneter aus Niedersachsen. "Ich traue ihm in der Politik noch sehr viel zu, auch in Berlin." CSU-Chef Horst Seehofer hält ihn neben Verteidigungsminister Thomas de Maizière für kanzlertauglich. Und noch hat der Wahlkampf ja nicht begonnen.

McAllister soll als verlässlicher Landesvater präsentiert werden. Der Mann, der über die Dörfer tingelt, kein Festzelt und keine IHK-Messe auslässt. Die CDU-Wahlkämpfer haben das Modell Hannelore Kraft genau studiert. "I'm a Mac" lautet aktuell ihr Slogan in Anspielung auf McAllisters schottische Vorfahren (und seine Leidenschaft für den Fast-Food-Riesen McDonald's) . Das erinnert an "Currywurst ist SPD" in Nordrhein-Westfalen. Inhalte, so verspricht die CDU, sollen aber auch noch kommen.

(brö)
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