Merkels optimistische Übertreibung

Angela Merkel hat nach dem EU-Gipfel ihre mitunter eigenwillige Sicht der Dinge unter Beweis gestellt: Der neue türkische Vorschlag zur Lösung der Flüchtlingskrise sei ein "Durchbruch" gewesen, man sei einen "qualitativen Schritt weitergekommen", sagte die Kanzlerin.

Das, mit Verlaub, war eine etwas vorschnelle zweckoptimistische Übertreibung. Bestenfalls ist ein mit erheblichen praktischen Umsetzungsproblemen behafteter Lösungsvorschlag konkreter geworden. Die Türkei bietet an, nicht nur Flüchtlinge ohne Asylgrund etwa aus Nordafrika zurückzunehmen, sondern auch syrische Kriegsflüchtlinge. Sie hat zugleich aber den Preis dafür so sehr erhöht, dass den 28 EU-Staaten untereinander eine Einigung auf diesen Handel mit der Türkei noch schwerer fallen wird.

Für Merkel lief der Gipfel nicht gut. Einer Lösung der Krise ist sie für die Wähler nicht sichtbar genug näher gekommen. Zudem vertiefte sie bei den EU-Kollegen den unguten Eindruck, den Plan mit der Türkei vorher verabredet zu haben. Wenige Tage vor drei Landtagswahlen hat dieser Gipfel Merkel nicht den erhofften Auftrieb verschafft. Die Volksparteien drohen am Sonntag schwach abzuschneiden. Den Höhenflug der AfD hat dieser Gipfel nicht gestoppt.

(mar)
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