Merkels neue Riege

Seit neun Monaten dreht sich auf Länderebene in der Kanzlerin-Partei das Personal-Karussell. Die einst als "schmucke Riege" titulierten Althaus, Oettinger, Koch, Wulff, v. Beust wurden bzw. werden ersetzt.

Düsseldorf "Tempora mutantur, nos et mutamur in illis" – "Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen." Das gilt auch für politische Parteien. Was an dem großen Spitzenpersonal-Revirement der Kanzlerin-Partei CDU anschaulich zu erkennen ist. Dieter Althaus, Günther Oettinger, Christian Wulff, Roland Koch, Ole von Beust – die einstmals "schmucke Riege" der jüngeren CDU-Ministerpräsidenten – perdu. Das Austauschprogramm begann vor neun Monaten in Thüringen:

Ende Oktober 2009 ersetzte die 52-jährige evangelische Theologin Christine Lieberknecht ihren Parteifreund Dieter Althaus, der lange Zeit als "CDU-Hoffnungsträger Ost" galt, den dann jedoch ein persönlich-politisch schreckliches Jahr 2009 zu Fall brachte: Bei einem Skiunfall verursachte er den Tod einer Frau, lag selbst schwer am Kopf verletzt über Wochen in Kliniken und Reha-Zentren und büßte bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit ein. Lieberknecht, Pfarrerstochter wie Angela Merkel, war bereits Kultus-, Bundesrats-, Europa- und Sozial-, Gesundheitsministerin sowie Landtagspräsidentin und CDU-Fraktionchefin in Erfurt. Beherzt griff sie schließlich nach der ganzen Macht und regiert seither mit der SPD.

Im Februar setzte sich in Stuttgart der bullige Franz-Josef-Strauß-Typ Stefan Mappus (44) an die Spitze des Landes Baden-Württemberg, das als einziges West-Bundesland noch nie sozialdemokratisch regiert wurde. Mappus' quirliger Vorgänger Günther Oettinger, ein fehleranfällig gewordener Technokrat, wechselte nicht ohne sanften Druck aus Stuttgart und Berlin als EU-Kommissar nach Brüssel. Mappus, Industriekaufmann und Diplom-Ökonom, mit einer Kleverin verheiratet, hat das Zeug zum neuen CDU-Star, wenn er im März 2011 die Landtagswahlen überzeugend gewinnt. Das wird aber ein ganz hartes Stück politischer Überzeugungsarbeit werden.

In Hessen tritt Ende August Volker Bouffier (58), der Älteste aus dem Kreis der "Neuen", in die größten Schuhe: diejenigen von Roland Koch, den nicht nur CDU-Altmeister, Kanzler a.D. Helmut Kohl, für den politisch Begabtesten unter seinen "Söhnen und Töchtern um die 50" hielt. Jurist Bouffier, inzwischen schon CDU-Landeschef nach Koch, gilt als gewieft und erfahren in allen landespolitischen Sätteln. Die Frage bleibt: Wird er auch ein bundespolitisches Schwergewicht?

Der Jüngste im Bund der neuen CDU-Länderchefs, David Allister (39), könnte ein Schwergewicht werden. Er erfüllt alle politischen Voraussetzungen für eine solide Karriere als Führungskraft in Hannover oder irgendwann einmal in Berlin. Der deutsch-britische Jurist und neue Ministerpräsident in Niedersachsen nach Christian Wulff gilt als bodenständig, fleißig, schnell dazulernend und redegewandt. Dynamische Ausstrahlung und rauer Charme prädestinieren den konservativ-liberalen Sohn einer Deutschen und eines schottischen Offiziers zudem für öffentliche Werbeauftritte, ob auf Marktplätzen, in Fabrikhallen, Fernsehstudios oder in Bierzelten.

Der wohl künftige Erste Bürgermeister und Senatspräsident im Bundesland Hamburg, Christoph Ahlhaus (40), ist das vorerst unbeschriebenste Blatt unter den "nachwachsenden Rohstoffen" der CDU auf Länderebene. Der aus Heidelberg stammende Politiker ist ein erst 2001 nach Hamburg zugezogener Rechtsanwalt. Erste Sporen verdiente sich der designierte von-Beust-Nachfolger als dessen Wahlkampf-Manager. Interessant wird es sein, zu beobachten, ob und wie der bekennende "Law-and-order"-Mann und Noch-Innensenator ab 25. August den geschwächten schwarz-grünen Senat zu neuen Ufern führt.

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