Bundesregierung Merkel warnt Seehofer

Die Kanzlerin fordert einen anderen Tonfall bei Streitigkeiten innerhalb der Regierung. Und sie stellt klar: Minister kann nur jemand sein, der ihre Richtlinienkompetenz akzeptiert.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußert sich bei der traditionellen Pressekonferenz vor der Sommerpause in der Bundespressekonferenz zu aktuellen Themen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußert sich bei der traditionellen Pressekonferenz vor der Sommerpause in der Bundespressekonferenz zu aktuellen Themen.

Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

Nach der mühevoll überwundenen Krise zwischen den Unionsparteien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einer Verrohung der Sprache und einer Spaltung der Gesellschaft durch Populismus gewarnt. Konflikte in der Koalition werde es auch weiterhin geben, aber sie müssten mit Besonnenheit gelöst werden, forderte Merkel am Freitag in ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz.

Jeder Bürger wisse aus eigener Erfahrung, dass Kompromisse Zeit bräuchten. Auch politische Entscheidungen könnten nicht in Sekundenschnelle getroffen werden. Die Art und Weise, mit der die CSU und deren Parteichef Horst Seehofer den Asylstreit geführt hätten, habe der politischen Kultur geschadet und Politikverdrossenheit befördert. „Umso mehr versuche ich, auf meine Sprache zu achten und darauf, dass Fakten stimmen.“ Die Regierung müsse zeigen, dass sie schwierige Probleme in einer anderen „Tonalität“ lösen könne.

Die Kanzlerin stellte klar, dass sie in der Sache auch künftig hart bleiben werde, und ließ durchblicken, dass sie sich nicht davor scheuen würde, Seehofer als Innenminister zu entlassen. In den Krisenwochen hatte sie dem Minister, der gegen ihren Willen im nationalen Alleingang Flüchtlinge an der bayerisch-österreichischen Grenze zurückweisen lassen wollte, mit ihrer Richtlinienkompetenz gedroht. Darauf hatte Seehofer erklärt, er lasse sich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur seinetwegen im Amt sei. Merkel betonte jetzt, „dass Minister nur jemand sein kann, der diese Richtlinienkompetenz akzeptiert“. Und: „Wenn das nicht der Fall wäre, könnte Zusammenarbeit in einer Regierung nicht funktionieren.“

Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter sagte unserer Redaktion: „Eine Bundeskanzlerin sollte nicht zu häufig mit der Richtlinienkompetenz drohen, weil die Basis dieser verfassungsrechtlich gesicherten Kompetenz das Vertrauen in der Regierung und der sie tragenden Parteien ist.“ Ein Innenminister, der wie Horst Seehofer die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin infrage stelle, habe sich zwar schon so gut wie aus dem Kabinett verabschiedet. „Aber eine Kanzlerin, die sich auf ihre Richtlinienkompetenz berufen muss, hat eigentlich auch die Macht schon verloren.“ Er hob aber Merkels „kontrollierte Ausdrucksweise“ hervor. Damit setze sie einen Kontrapunkt zum „schroffen, scharfen und unappetitlichen Ton der CSU“.SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht Merkel durch die Unionskrise nachhaltig geschwächt: „Frau Merkel muss in den nächsten Monaten zeigen, dass sie die Kraft hat, dieses Amt erfolgreich auszufüllen.“ FDP-Chef Christian Lindner sagte: „Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Frau Merkel mit dem Treiben in ihrer Regierung nichts zu tun haben will. Immer nur auf andere zu verweisen, wird dem Führungsauftrag an eine Kanzlerin nicht gerecht.“ Und der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck warf der großen Koalition und Merkel vor, leidenschaftslos und ängstlich Politik zu machen. „Bei aller Grundsympathie für Frau Merkel, diese Erschöpfung ist nicht nur eine persönliche, sondern ist eine politische Erschöpfung.“

Im Rahmen ihrer Pressekonferenz sprach sich Merkel zudem indirekt gegen eine Zerschlagung des kriselnden Industriekonzerns Thyssenkrupp aus. Sie schließe sich der Meinung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) an, der dafür werbe, dass der Konzern ein „möglichst breit aufgestelltes“ Unternehmen bleibe.

Leitartikel, Politik

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