Berlin Merkel und Hollande in einem Boot

Berlin · Die Kanzlerin und der französische Präsident versuchen, ihr Verhältnis zu verbessern. Rügen dient ihnen als Kulisse.

Wer Rügen als Heimatwahlkreis hat, darf sich durch Wetterkapriolen die Laune nicht verderben lassen. Und so greift Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Schirm und nimmt ihren Gast vor dem prasselnden Regen eigenhändig in Schutz. Aber auch der französische Staatspräsident François Hollande lässt sich von den dunklen Wolken über der Ostsee nicht beirren, würdigt vielmehr die "wunderbare Geste", die die "liebe Angela" für ihn vorbereitet habe: zwei Tage deutsch-französisches Gipfel-Privatissimum.

"Herzlich willkommen, lieber François!", sagt sie an diesem Freitagnachmittag - und bugsiert Hollande nach ein paar kleinen Sätzen vor der Presse auf das Ausflugsschiffchen "Nordwind". Zum Auftakt zeigt die konservative Kanzlerin dem Sozialisten die Schönheiten der Kreidefelsen von Rügen.

Der Plan ist leicht zu durchschauen: Jetzt, wo der Weltfrieden auch davon abhängt, wie gut der traditionell entscheidende deutsch-französische Motor läuft, will Merkel einen Strich unter alle unfreundlichen Gesten der Vergangenheit machen. Denn dass da zwei zusammenstehen müssen, die erkennbar nicht zusammen wollten, liegt nach den Wahlkämpfen in Deutschland und Frankreich auf der Hand.

Merkel setzte vor zwei Jahren darauf, mit Nicolas Sarkozy weiter in freundschaftlicher Harmonie Politik für Europa machen zu können - und griff auch für ihn in den französischen Wahlkampf ein. Der Bürgerliche im Elysée war zu einem grenzenlosen Merkel-Bewunderer geworden und rühmte sich der funktionierenden Partnerschaft mit "Angela". Erst vor wenigen Wochen lud Merkel ihn noch einmal ins Kanzleramt und sprach mit ihm sicher auch über diese Zeiten. Hollande wiederum, mit SPD-Unterstützung im französischen Präsidentschaftswahlkampf ins Amt gekommen, setzte darauf, dass Merkel im Herbst 2013 abgewählt und durch einen Sozialdemokraten ersetzt würde. Nicht die besten Voraussetzungen für persönliche Sympathie.

Doch die beiden operativen Chefs ihrer Länder pflegten stets einen professionellen Umgang. Zudem ist die Antipathie gegen die sozialistischen Reformvorhaben im Kanzleramt deutlich geschrumpft, seit Hollande das Ruder herumgerissen hat. Der deutsche Weg dient ihm nun nicht mehr als Wegmarke für größtmögliche Distanzierung, sondern als Vorbild für französische Entscheidungen.

Hinzu kommt sicherlich, dass Hollandes Wegbegleiter aus der SPD nun mit Merkel ein Bündnis bilden. So nahm gestern nicht nur das Treffen Merkel-Hollande auf Rügen seinen Anfang; parallel dazu setzte sich in Berlin auch SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit seinem französischen Amtskollegen Arnaud Montebourg an einen Tisch. Thema: die Zukunft von Alstom und welche Vorzüge für die europäische Industrie-, Verkehrs- und Energiepolitik es hätte, wenn nicht der US-Konzern General Electric, sondern Siemens das französische Unternehmen übernähme. Das Thema stand auch auf den Merkzetteln von Merkel und Hollande. Doch an erster Stelle wollten die beiden die nächsten Schritte gegenüber Russland besprechen. Zusätzliche Dynamik bekam das Thema für das Treffen gestern auf Rügen und heute in Stralsund durch die säbelrasselnde Sieg-über-Deutschland-Gedächtnisparade auf der Krim. Demonstrativ griff auch Holland das symbolträchtige Datum auf, stellte den russischen Siegesfeiern aber eine andere Bedeutung gegenüber: Er freue sich sehr über Merkels Einladung, "weil es der 9. Mai ist, der Tag Europas, den wir nun gemeinsam in einer entspannten Atmosphäre begehen werden", sagte er zur Begrüßung.

Damit knüpfte er an den Europa-Tag an, mit dem an die berühmte Rede des französischen Außenministers Robert Schuman erinnert wird, der am 9. Mai 1950 die Vision eines Europas des Friedens entwickelt hatte. 64 Jahre später arbeiten Merkel und Hollande dem Vernehmen nach an einer gemeinsamen Erklärung, um den Frieden auch in der Ukraine zu retten.

(may-)
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