Kurzfristige Neuverschuldung nötig Merkel: Steuerreform wird nach Machtwechsel vorgezogen

Frankfurt/Main/Berlin (rpo). CDU-Chefin Angela Merkel will nach einem Machtwechsel im September die geplante Steuerreform vorziehen. Die Ökosteuer will sie nicht abschaffen, sondern lediglich die letzte Erhöhung aussetzen. Zur Finanzierung sei aber eine kurzfristige Neuverschuldung nötig.

Zur Gegenfinanzierung der Steuergeschenke deutete CDU-Chefin Angela Merkel eine kurzfristige Ausweitung der Staatsverschuldung an. Ihre steuerpolitischen Vorhaben wolle die Union in den ersten 100 Tagen nach dem angestrebten Wahlsieg beschließen, sagte Merkel der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auch um dem Mittelstand zu helfen, wolle die Union den "Teufelskreis von immer weiteren Steuererhöhungen" durchbrechen.

Die erste Stufe der rot-grünen Steuerreform war am 1. Januar 2001 in Kraft getreten, weitere Schritte sind für 2003 und 2005 beschlossen. Laut Merkel sollen die letzten zwei Stufe zum nächsten Jahreswechsel auf einen Schlag zünden. Das kostet mehrere Milliarden Euro.

Zur Gegenfinanzierung sagte Merkel, im "Rahmen haushaltspolitischer Stabilität" könne der Schritt durchaus vorverlegt werden. Die Union übernehme das Ziel von Finanzminister Hans Eichel, 2006 einen Bundesetat aufzustellen, der ohne neue Kredite finanziert werde. "Innerhalb dieses Zeitrahmens kann man eine gewisse Unsicherheit in Kauf nehmen." Deutschland brauche Steuersenkungen, um Konjunktur und Arbeitsmarkt zu beleben.

Bisher hatte die Union eine vollständige Abschaffung der Ökosteuer gefordert. Ihren Schwenk machte sie unmittelbar nach der Ernennung des CSU-Chefs Edmund Stoiber zum Kanzlerkandidaten.

Die Ökosteuer wollten CDU und CSU in heutiger Höhe beibehalten, erklärte Merkel. Es sei nicht möglich, die Steuerreformstufe vorzuziehen und gleichzeitig weitere Steuern zu senken. Im Gegensatz zu Bundeskanzler Gerhard Schröder wolle sie nur Dinge versprechen, die eingehalten werden könnten.

Heftige Kritik der FDP

Scharfe Kritik an der neuen Haltung der Union zur Ökosteuer kam von der FDP. "Der bayerische Löwe brüllt und verliert sogleich sein Gebiss", sagte FDP-Vizevorsitzende Rainer Brüderle der "Bild am Sonntag" zu Stoibers Rückzieher. Die Ökosteuer müsse unbedingt zurückgeführt werden. Die FDP werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht spürbare Steuersenkungen gefordert würden.

Der stellvertretende CDU-Chef Christian Wulff sprach sich dafür aus, ein "Verbot der Neuverschuldung" im Grundgesetz zu verankern. "Bis 2005 muss das zu schaffen sein." Die explodierenden Staatsschulden seien zum Würgegriff handlungsfähiger Politik geworden. Ausnahmen solle der Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen dürfen.

SPD-Finanzexperte Joachim Poß machte Unstimmigkeiten in der Union aus und sprach von Chaos. Stoiber sei wegen der finanziellen Lage von Ländern und Kommunen gegen das Vorziehen der 2005-Stufe. Merkel wolle Steuersenkungen durch Schuldenmacherei. Poß verwies auf das gefährlich hohe Staatsdefizit, das knapp unter den Euro-Stabilitätskriterien liegt.

(RPO Archiv)
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