"Schröder spricht nicht für alle Deutschen" Merkel kritisiert in US-Zeitung Irak-Kurs der Bundesregierung
Washington (rpo). Angela Merkel hat in einer amerikanischen Zeitung den Irak-Kurs der Bundesregierung kritisiert. Die CDU-Vorsitzende verteidigte einen Irak-Krieg als "letztes Mittel".
In einem Kommentar in der "Washington Post" (Donnerstag) unter dem Titel "Schröder spricht nicht für alle Deutschen" warf Merkel dem Kanzler, einen Sonderweg beschritten zu haben. Damit habe er die "wichtigste Lehre der deutschen Politik" aus Wahlkampfmotiven beiseite gewischt. SPD und Grüne reagierten empört und warfen Merkel vor, die eigene Regierung im Ausland zu diffamieren und damit gegen demokratische Grundregeln zu verstoßen.
Bundespräsident Johannes Rau teilte die Skepsis der Bundesregierung angesichts eines Irak-Krieges. "Die Argumente gegen den Krieg bleiben dieselben", sagte Rau in einem Interview der "Frankfurter Rundschau" (Freitag). "Ich kann auch keinen deutschen Sonderweg erkennen. Solche Anspielungen sind nicht sehr historisch."
Rau räumte ein, dass es eine "Differenz" zwischen Schröder und US- Präsident George W. Bush gebe. "Das weiß man, das kann man beklagen und man kann auch versuchen, die Dinge wieder auf einen besseren Weg zu bringen. Das werden die beiden ja sicher auch tun." Ebenso klar sei, dass die Deutschen den Amerikanern unendlich viel zu verdanken hätten. Von den Amerikanern hätten die Deutschen aber auch gelernt, was in der Demokratie der aufrechte Gang ist.
Krieg "als letztes Mittel" verteidigt
Merkel verteidigte in ihrem Gastkommentar einen Krieg "als letztes Mittel". Die gemeinsame EU-Erklärung zum Irak, in der die Anwendung von Gewalt als letztes Mittel eingeschlossen wird, habe die Bundesregierung zu einem Kurswechsel gezwungen. Merkel äußerte Zweifel, dass sich Deutschland auch im UN-Sicherheitsrat im Einklang mit dem EU-Beschluss verhalten werde.
Es sei richtig, dass Krieg niemals ein gleichsam normales Mittel in der Politik werden dürfe, schrieb Merkel weiter. Aber die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert lehre, dass militärische Gewalt auch nie "als letztes Mittel gegenüber Diktatoren ausgeschlossen oder auch nur in Frage gestellt werden darf, wie dies die Bundesregierung getan hat". Damit werde die Drohkulisse gegen Diktatoren wie Iraks Präsidenten Saddam Hussein geschwächt.
Merkel betonte, für die CDU seien Partnerschaft und Freundschaft mit den USA von ebenso fundamentaler Bedeutung wie die europäische Integration. Die Partei- und Unions-Fraktionschefin wird in der kommenden Woche mit verschiedenen Vertretern der US-Regierung zusammentreffen. Kritik an dem Beitrag wies sie zurück. Der Artikel sei "wohl überlegt", sagte sie der Zeitung "Die Welt" (Freitag).
"Bückling gegenüber der US-Administration"
SPD-Fraktionschef Franz Müntefering erklärte, Merkel bereite ihre USA-Reise "mit einer Diffamierung der eigenen Regierung und einem Bückling gegenüber der US-Administration vor". Merkel und die Union seien ohne Rückgrat in der Irak-Frage. "Ihr seid schöne Patrioten", hieß es in einer Mitteilung Münteferings. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte, Merkel schade dem Ansehen Deutschlands und verstoße gegen die Grundregel, die eigene Regierung im Ausland "nicht madig zu machen".
Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der "Märkischen Allgemeinen" (Freitag): "Diese Anbiederei Frau Merkels ist nicht nur geschmacklos, sie fügt dem Ansehen Deutschlands auch schweren Schaden zu. Die Vorsitzende der größten Oppositionspartei sollte sich besser im Griff haben." Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sprach von einer beispiellosen Peinlichkeit und "Ausdruck einer liebedienerischen Haltung".
Ohne die USA ausdrücklich zu erwähnen sagte Bundespräsident Rau in dem "FR"-Interview: "Ich gehöre zu denen, die das Jesuswort 'Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich' als Jesuswort ernst nehmen. Ich halte es aber für verhängnisvoll, wenn ein Staat oder eine Regierung dieses Wort zum Programm macht."