Serie von Paketbomben Merkel fordert schärfere Kontrollen für Luftfracht

Wiesbaden (RPO). Nach dem Fund einer Paketbombe im Berliner Bundeskanzleramt ruft die Bundeskanzlerin alle Bürger zu "mehr Wachsamkeit" auf. Die Bundesregierung will das Thema "Luftfracht-Terrorismus" beim nächsten EU-Gipfel ansprechen. Unterdessen hat die griechische Polizei eine Fahnung nach fünf Verdächtigen im Alter von 21 bis 30 Jahren eingeleitet.

Verdächtige werden in Griechenland festgenommen
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Die Bundesregierung dringt nach den Paketbomben-Funden in der EU auf eilige Vorkehrungen gegen Luftfracht-Terrorismus. Das Bundeskabinett verabredete am Mittwoch, das Thema bereits in der kommenden Woche auf die Agenda der EU-Innenminister zu setzen.

Kanzlerin Angela Merkel sagte, der Fund eines Sprengsatzes im Kanzleramt und einer in Deutschland umgeschlagenen Paketbombe aus dem Jemen müssten Anlass sein, die weltweite Zusammenarbeit gegen Terror zu verbessern. Die Bürger mahnte sie zur Vorsicht vor Anschlägen: "Jeder Einzelne ist zur Wachsamkeit aufgerufen."

Nach dem Wunsch der Bundesregierung soll bereits der nächste EU-Gipfel im Dezember über schärfere Sicherheitsmaßnahmen im Luftfrachtverkehr beraten. Deutschland komme besondere Bedeutung zu, weil hier die meiste Luftfracht zwischen dem Nahen Osten und den USA umgeschlagen werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Merkel sagte der "Passauer Neuen Presse", in der radikalen Islamistenszene sei aktuell viel Bewegung. "Wir arbeiten ständig daran, die Aufklärungsarbeit und damit den Schutz der Bevölkerung zu verbessern." Sie wolle aber nichts beschönigen: "Die Gefahr existiert." Es gebe derzeit einen weltweiten Flickenteppich von Sicherheitsbestimmungen für Luftfracht. Die Kontrollen müssten innerhalb Europas, mit den USA und möglichst global besser abgestimmt werden: "Der Terrorismus lässt sich nur wirksam bekämpfen, wenn wir weltweit die Kräfte bündeln."

Deutsche Ermittler in Griechenland

Underdessen sind Beamte des BKA nach Griechenland geschickt worden. Die deutschen Ermittler wollen dort zum einen erfahren, was die Vernehmungen der dort Festgenommen ergeben. Zudem wollten sich die Experten die in Griechenland verwendeten Paketbomben anschauen, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke. Die am Dienstag im Kanzleramt entdeckte Paketbombe ähnele den in Griechenland verwendeten Sprengvorrichtungen, sagte er.

Die Untersuchungen der im Kanzleramt gefundenen Paketbombe dauerten nach Angaben des BKA-Chefs am Mittwoch zunächst an. Es gebe noch keine konkreten Erkenntnisse. Er könne auch noch keine Aussagen dazu machen, wie die Paketbombe nach Deutschland gelangt sei. Es liege aber nahe, dass sie auf dem Luftweg gekommen sei.

Bombe direkt an Merkel adressiert

Die Paketbombe war an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich adressiert. Das Paket hatte nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) einen griechischen Absender und war zwei Tage zuvor von Griechenland aus versandt worden.

Merkel hat auch die Sicherheitsvorkehrungen im Kanzleramt gelobt. Bei einem Besuch der Poststelle habe die Kanzlerin den Mitarbeitern, die das verdächtige Päckchen entdeckten, "ihre Anerkennung für Wachsamkeit, Umsicht und Professionalität" ausgesprochen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin und fügte hinzu: "Der gestrige Vorfall hat gezeigt: die sehr strengen Sicherheitsvorkehrungen im Kanzleramt funktionieren."

Griechenland stoppt Frachtflüge

Nach der Serie von Briefbomben hat Griechenland sämtliche Fracht- und Postflüge vorläufig gestoppt. Tausende Pakete wurden am Mittwoch überprüft. Die Ermittlungen laufen. Die Polizei hat Fotos von fünf Verdächtigen veröffentlicht. Sie sind zwischen 21 bis 30 Jahre alt und werden der linksextremen Szene zugerechnet.

Die Behörden baten die Öffentlichkeit um Hinweise für die Festnahme der fünf Männer. Sie werden bereits seit Herbst 2009 wegen Mitgliedschaft in der anarchistischen Gruppe "Verschwörung der Zellen des Feuers" gesucht. Die Gruppierung hat sich seit ihrem Auftauchen 2008 zu mehreren kleineren Sprengstoff- und Brandanschlägen auf Regierungsgebäude sowie Büros und Privathäuser von Politikern bekannt.

Diese Gruppen aus der Anarcho- und Autonomenszene gelten als weniger gewieft und straff organisiert als die Vorgänger. "Wir haben es hier eindeutig mit Amateuren zu tun, aber sie haben weltweite Aufmerksamkeit bekommen", sagte die griechische Terrorexpertin Mary Bossi dem privaten Fernsehsender Skai. "Die Verdächtigen sind alle jung, aber ich habe so meine Bedenken, wer sie möglicherweise steuert."

Auf die Spur der Verdächtigen war die Polizei nach der Festnahme von zwei Männern am Montag gekommen. Bei den 22 und 24 Jahre alten Männern wurden zwei der Paketbomben gefunden, von denen eine an Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gerichtet war. Laut Polizei gehört einer der Festgenommenen, ein Chemie-Student, der Gruppe "Verschwörung der Zellen des Feuers" an. Der andere wird der anarchistischen Szene zugerechnet. Sie weigerten sich bisher Angaben zu ihrer Person zu machen und mit den Behörden zusammenzuarbeiten.

In Athen wurden am Montag und Dienstag insgesamt elf Paketbomben gefunden, die an ausländische Botschaften, an Sarkozy sowie auch an den Europäischen Gerichtshof und an die europäische Polizeibehörde Europol adressiert waren. Eine weitere aus Griechenland stammende Paketbombe musste im Bundeskanzleramt unschädlich gemacht werden. Eine 13. Paketbombe, die an Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi adressiert war, wurde am Dienstagabend auf dem Flughafen von Bologna entdeckt.

Die Pakete wurden laut Polizei von drei Absendern aufgegeben. Die Sprengsätze waren demnach in ausgehöhlten Büchern und leeren Aktenordnern versteckt. Ersten Untersuchungen zufolge enthielten sie Schwarzpulver aus Feuerwerkskörpern. Das Bundeskriminalamt kündigte an, Ermittler nach Athen zu schicken. Sie sollen mögliche Ergebnisse der Vernehmungen von Verdächtigen auswerten und mehr über die Bauart Bomben herauszufinden.

Regierungschef Papandreou verurteilte die versuchten Anschläge als "verantwortungslose und waghalsige Taten". "Die Demokratie lässt sich nicht terrorisieren", sagte er.

Freitag debatieren Experten

Angesichts der Paketbomben aus Griechenland und dem Jemen, die vor wenigen Tagen in Frachtmaschinen in Großbritannien und in Dubai gefunden worden waren, beraumte die EU-Kommission für Freitag ein Expertentreffen zur Luftfahrtsicherheit an. Angesichts der neuen Bedrohungen sollten mögliche Änderungen der bisher geltenden Regeln erörtert werden, teilte die Kommission mit. Den Angaben zufolge nehmen unter anderem Sprengstoffexperten an dem Treffen teil. Am Montag befassen sich die EU-Innenminister mit dem Thema.

(AFP/dapd/Reuters)
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