Die Kanzlerin stellt sich den Fragen der Journalisten Merkel erholt sich mit Problemlösen

Berlin · Auch die "Prism"-Affäre scheint der Kanzlerin nichts anzuhaben – obwohl sie viele Antworten dazu schuldig bleibt.

Auch die "Prism"-Affäre scheint der Kanzlerin nichts anzuhaben — obwohl sie viele Antworten dazu schuldig bleibt.

Immerhin diese eine Frage zu "Prism" kann die Kanzlerin zufriedenstellend beantworten. Ob ihr die Affäre um das US-Ausspähprogramm nun die Erholung im Sommerurlaub verderben werde, will einer der Hauptstadtjournalisten wissen, nachdem Angela Merkel nun fast eine Stunde lang versucht hat zu erklären, warum sie auch heute — sechs Wochen nach den Enthüllungen des Ex-US-Geheimdienstlers Edward Snowden — nichts Aufklärendes dazu zu bieten hat. "Mit der Erholung der Bundeskanzlerin", sagt sie, "ist es so, dass der sicherste Weg sowieso der ist, dass man sich während der Arbeit erholt. Dann hat man immer eine sichere Erholung."

Trotz der "Prism"-Affäre, die ihr noch gefährlich werden kann in den kommenden Wochen bis zur Bundestagswahl, scheint sich die Kanzlerin bei der Arbeit nicht nur zu erholen, sie genießt sie auch. "Ich finde, dass die Arbeit der Bundeskanzlerin eine sehr schöne, inspirierende Arbeit dahingehend ist, dass Sie immer wieder neue Probleme haben", sagt sie unter dem Gelächter der Journalisten, denen sie heute ihre schon traditionelle Sommer-Pressekonferenz gibt. "Sie lachen darüber. Wer das nicht aushält, kann nicht Bundeskanzler sein."

Angela Merkel scheint es ganz gut auszuhalten als Problemlöserin im Kanzleramt. Sie muss nicht die großen Linien und Visionen für die Zukunft vorgeben, nicht einmal ihre Pläne für die kommende Legislaturperiode skizzieren, denn es gibt ja täglich jede Menge neue Probleme. Da fügt es sich für sie gut, dass sie das Problemlösen nicht nur besser beherrscht als das Visionäre, sondern dass es ihr sogar auch immer wieder Freude zu bereiten scheint.

Die gärende Euro-Krise, die aus dem Ruder laufende Energiewende, der teure Bundeswehr-Umbau — überall lauern Probleme, die auf Lösungen warten, die aber an diesem Tag hinter dem alles überwölbenden Thema "Prism" zurücktreten. Doch ausgerechnet bei diesem neuen Groß-Problem bleibt Merkel sogar Antworten auf Fragen schuldig, die ihr als technikbegeisterter Physikerin entgegenkommen müssten.

"Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von ,Prism' vorzunehmen", nimmt sie vielen im Saal gleich zu Beginn den Wind aus den Segeln. Welche Daten von Bundesbürgern der US-Geheimdienst NSA seit wann und in welchem Umfang abschöpft, ob er auch deutsche Unternehmen ausspioniert, wie lange er die Daten speichert und auf welcher Rechtsgrundlage — auf all diese Fragen erwartet Berlin schon seit Wochen Antworten aus Washington. "Wer heute hierher gekommen ist mit der Erwartung, dass ich das Ergebnis von solchen Aufklärungsarbeiten vorstellen könnte, der ist mit einer falschen Erwartung gekommen", verliest Merkel — anders als sonst bei diesen Auftritten — eine sorgfältig vorbereitete Erklärung.

Die Bundesregierung bemühe sich um Aufklärung, "aber es liegt eben auch nicht ganz in meiner Hand". Zu klären, wie "Prism" technisch funktioniert, sei nicht die Aufgabe der früheren Physikerin. "Ich habe meinen Beruf gewechselt", sagt sie dazu nonchalant. Ihre Aufgabe sei es, dafür zu sorgen, dass ausländische Geheimdienste auf deutschem Boden deutsches Recht nicht umgehen. Die Geheimdienst-Regeln in anderen Ländern könne sie nicht beeinflussen. Doch könnte es sein, dass es der NSA gar nicht verboten ist, die Deutschen auszuschnüffeln, auch nicht auf deutschem Boden. Denn es gibt eine Verordnung von 1968, die es den Ex-Alliierten erlaubt, in Deutschland umfassend Daten abzuschöpfen.

Über die Aufhebung dieser Verordnung werde verhandelt, berichtet Merkel längst Bekanntes. Das ist der erste eines Acht-Punkte-Katalogs, den sie der hungrigen Hauptstadt-Presse gleichsam zum Fraß hinwirft. Aufzuklären, wie viel und wann das für den Auslandsgeheimdienst zuständige Kanzleramt von "Prism" wusste, ist nicht Bestandteil des Katalogs. Ihre Minister hätten jedenfalls ihr "vollstes Vertrauen".

Merkel meint, mit ihrem "guten Konzept" die von "Prism" ausgehende Gefahr in den verbleibenden 64 Tagen bis zum Wahltag am 22. September ganz gut umschiffen zu können. Ohnehin scheint die Affäre für sie eher mediengetrieben zu sein; die Ängste der Bürger fürchtet sie weniger: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich das (die "Prism"-Hintergründe, d. Red.) den Menschen sehr gut erklären kann."

(mar)
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