Meinung: Guttenberg muss zurücktreten

Der Wissenschaftsbetrieb ist zum Kopierwerk verkommen. Das wissen Mediziner, Philosophen und Politologen seit Langem. Nichts gelingt so leicht wie die Transplantation fremder Texte über Schwärzen, Kopieren, Einsetzen, und oft fehlt es den Transporteuren an Unrechtsbewusstsein. Ihr Motto: Was so leicht ist, kann nicht rechtswidrig sein.

Dr. Guttenberg ist nicht irgendein Titelträger und Textdieb, er ist Bundesminister auf einem Feld, das Fragen der Ehre höchste Bedeutung beimisst. Er weiß um den Rang des Eids, des Ehrenworts, der Strenge. Darum geht es bei der aktuellen Causa in überragendem Maß: Guttenberg hat bei der Zulassung zum Promotionsverfahren eine ehrenwörtliche Erklärung unterschrieben, dass er die Dissertation selbstständig verfasst und alle in Anspruch genommenen Hilfen angegeben hat, also auch sämtliche Quellen.

Diese Erklärung zählt zum Kanon jeder Promotion, und wie es aussieht, ist sie bei Guttenberg angesichts einer größeren Menge undeklarierten Fremdimports nichts wert. Zum Skandal wird die Sache, weil er unwillig ist, die schneidige Aneignung fremden Eigentums zu beichten; ein Geständnis hätte den Charme der Strafmilderung. Der Beschuldigte gibt indes den faustischen Schwerarbeiter, der ein kapitales Opus vorschiebt und angebliche Petitessen abwischt wie Schuppen von den Schulterklappen.

Das ist unerträglich, aber Empörung führt nicht weiter. Man sollte die Angelegenheit rein formal und kühl sehen. Das einsetzende Verfahren wird wohl zur Aberkennung des Doktortitels führen. Der schon jetzt einsetzende Ehrverlust beschädigt kolossal aber auch das Amt, das Guttenberg bekleidet. Ein Mann seines Geblüts weiß, dass sein Rücktritt vom Ministeramt unumgänglich ist. WOLFRAM GOERTZ

(RP)
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