Bis 400 Euro nur geringe Abgaben Mehr Teilzeitarbeit durch Mini-Jobs

Berlin (rpo). Teilzeitarbeit soll attraktiver werden. Deswegen werden zum 1. April die "400-Euro-Jobs" eingeführt. Bis zu dieser Verdienstgrenze - bisher 325 Euro - müssen Arbeitnehmer gar keine und Arbeitgeber nur geringe Sozialbeiträge und Steuern zahlen.

Bis 800 Euro gelten verringerte Beitragssätze. Mit der Umsetzung einer der Kernpunkte des Hartz-Konzeptes hofft die Regierung, mehr Menschen in - wenn auch gering bezahlte - reguläre Arbeit zu bringen und Schwarzarbeit zu bekämpfen. Das entspricht dem Ruf der Wirtschaft nach einem flexibleren Arbeitsmarkt. Die Gewerkschaften befürchten hingegen den Verlust von Vollzeitarbeitsplätzen und zunehmende soziale Ungerechtigkeit.

Von den neuen Regelungen können vor allem Teilzeitbeschäftigte im Dienstleistungssektor profitieren. Experten gehen davon aus, dass gerade in privaten Haushalten - unter anderem bei der Kinderbetreuung rund 3,3 Millionen beschäftigt sind. Davon sind nur 50.000 bei den Kassen gemeldet.

Die Kommission zur Reform des Arbeitsmarktes unter Leitung von VW-Vorstand Peter Hartz hatte sich nach langem Ringen für eine Ausweitung niedrig entlohnter Beschäftigung ausgesprochen. Hartz selbst hatte eine Anhebung der Verdienstgrenze auf 500 Euro vorgeschlagen. Danach rangen Regierung und Union abermals um eine Lösung und einigten sich schließlich im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag.

Bei einer Beschäftigung bis 400 Euro hat der Arbeitgeber nach neuem Recht Pauschalabgaben von 25 Prozent zu entrichten. Darin sind zwölf Prozent Rentenbeitrag, elf Prozent Krankenkassenbeitrag und zwei Prozent Pauschalsteuer enthalten. Um die Bürokratie in Grenzen zu halten, ist für die Pauschalbeträge eine zentrale Einzugsstelle bei der Bundesknappschaft eingerichtet worden.

Bei einem Verdienst von 400 bis 800 Euro gilt künftig eine "Gleitzone". Der Arbeitgeber entrichtet seinen vollen Anteil zu den Sozialbeiträgen; die Arbeitnehmerbeiträge steigen von vier Prozent bis zum vollen Anteil von etwa 21 Prozent des Bruttolohns.

Mit den Neuerungen bei den Mini-Jobs geht die Regierung auf die Wirtschaft zu. Der Präsident des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft, Mario Ohoven, glaubt, dass bis zu 400.000 neue Jobs entstehen könnten. Bei Löhnen zwischen 325 und 920 Euro gebe es derzeit so gut wie keine Beschäftigung, sagt er. Nach Berechnungen des Ifo-Institutes könnten bei einer grundlegenden Reform sogar 2,3 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen.

Kritisch steht solchen Prognosen der Sozialwissenschaftler Claus Schäfer von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gegenüber. "Deutschland ist schon seit langem ein Niedriglohnland", sagt Schäfer, der seit den 70er Jahren auf diesem Gebiet arbeitet. Derzeit gebe es 2,5 Millionen geringfügig Beschäftigte. Das betreffe vor allem Frauen, die Teilzeit arbeiteten. Seit den 70er Jahren sei der Niedriglohnsektor ständig gewachsen. Mehr reguläre Arbeitsplätze seien nicht entstanden.

Das Einkommen von Arbeitnehmern solle vor allem sozial gerecht sein, sagt Schäfer. Nach der europäischen Sozialcharta könne ein Lohn, der weniger als 68 Prozent des Durchschnittseinkommen ausmache, als nicht sozial angemessen bezeichnet werden. In Westdeutschland lägen bereits 3,5 Millionen Vollzeitbeschäftigte unter dieser Grenze, im Osten seien es eine Million.

Schäfer befürchtet mit einer weiteren Ausdehnung des Niedriglohnsektors eine Zunahme von sozialen Spannungen. Solch eine Entwicklung sei demokratiegefährdend.

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