Höhere Ausgaben für Klimaschutz Kommunen fordern neuen Rettungsschirm

Berlin · Das neue Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland fünf Jahre früher klimaneutral werden soll. Um das bis 2045 zu schaffen, braucht es erhebliche Anstrengungen. Wer diese leisten muss, ist an vielen Stellen noch offen.

 Photovoltaik-Anlage in Mecklenburg-Vorpommern (Archiv).

Photovoltaik-Anlage in Mecklenburg-Vorpommern (Archiv).

Foto: dpa/Jens Büttner

Kritik am Ziel gibt es wenig, an der Umsetzung dafür umso mehr: Das neue Klimaschutzgesetz, das der Bundestag am Donnerstagabend verabschieden sollte, hat bei den Städten und Gemeinden in Deutschland für Unmut gesorgt. „Die Zielsetzung, dass Deutschland 2045 klimaneutral sein soll, ist richtig“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion. „Aus kommunaler Sicht ist aber insbesondere noch zu unklar, wie die konkreten Umsetzungsschritte durchgesetzt und finanziert werden sollen. So sind die Städte und Gemeinden mit ihren tausenden von Gebäuden gefordert, hier entsprechende energetische Sanierungen zum Beispiel durch Solardächer, vorzunehmen“, sagte Landsberg.

Das Problem: Schon jetzt haben die Kommunen nach eigenen Angaben einen Investitionsrückstand von 149 Milliarden Euro, allein bei den öffentlichen Verwaltungsgebäuden sind es 16,4 Milliarden. „Gleichzeitig brechen unsere Steuereinnahmen ein und bisher gibt es bedauerlicherweise keine Zeichen aus der Bundespolitik, wie im Jahre 2020, einen zweiten kommunalen Rettungsschirm zu schaffen, um die fortdauernden Verluste bei der Gewerbe- und der Einkommenssteuer gemeinsam mit den Ländern auszugleichen“, kritisierte Landsberg. Er forderte ein „Klimaschutzbeschleunigungsgesetz“ für schnellere, digitale Planungsvorhaben und den Verzicht auf naturschutzrechtliche Ausgleichsregelungen, wenn eine Maßnahme dem Klimaschutz dient sowie eine Entbürokratisierung „der viel zu komplizierten Förderprogramme“.

Die Bundesregierung hatte die Gesetzesnovelle im Eiltempo auf den Weg gebracht, nachdem das Bundesverfassungsgericht erst Ende April das bislang geltende Klimagesetz aus dem Jahr 2019 für teilweise verfassungswidrig erklärt hatte.

Deutschland sollte nachbessern, genauer festlegen, wie es auch nach 2030 seine klimaschädlichen Emissionen so senken will, dass späteren Generationen keine unverhältnismäßigen Nachteile entstehen. Dafür hätte die Bundesregierung theoretisch bis Ende Dezember 2022 Zeit gehabt. Sie reagierte innerhalb von knapp zwei Wochen, brachte schon Mitte Mai den neuen Gesetzentwurf ins Kabinett. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach nun von einem „starken Fundament“. Geregelt ist bislang aber nur der Finanzrahmen von rund acht Milliarden Euro. An konkreten Maßnahmen zur Umsetzung mangelt es.

Die Generationen-Stiftung kritisierte das Gesetz zudem als unzureichend, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. „Erst gestern wurde das neue Klimaschutzgesetz beschlossen. Die Pläne sind bei Weitem nicht ausreichend, um auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen. Wieder einmal eine verpasste Chance“, sagte die Aktivistin Paula Albrecht vom Jugendrat der Generationen-Stiftung. „Dass die große Koalition das als großen Wurf verkauft, macht die ganze Sache nicht besser.“ Dabei verwies Albrecht auf eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts respondi im Auftrag der Stiftung, die anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl das Vertrauen junger Menschen in die Politik untersucht. „Über 80 Prozent sagen darin, dass diese Regierung die Interessen der jungen Generation ignoriert“, sagte Albrecht. „Gerade in Wahlkampf werden plötzlich alle zu Klimaschützern, aber da steckt nicht viel dahinter“, so die Aktivistin weiter.

Auch Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller übte Kritik und forderte deutlich mehr Unterstützung für die Verbraucher bei Klimaschutz-Investitionen in der kommenden Legislaturperiode. „Bei vermieteten Häusern sollten die Sanierungskosten nicht zu Lasten der Mieter gehen“, sagte Müller. Klimaschutz dürfe keine Lifestyle-Frage sein, die sich nur Reiche und Wohlhabende leisten könnten. „Dafür gibt es Gegenmittel, wie zum Beispiel die Strompreissenkung und einen Pro-Kopf-Klimascheck, mit dem die Politik die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung vollständig und sozial ausgewogen an die Verbraucher zurückzahlt“, forderte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes.

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