Folgen für Psyche und Gesundheit Immer mehr Kinder sind in der Corona-Pandemie massiv belastet

Berlin · Der lange Lockdown und geschlossene Schulen, Kitas und Vereine trifft die Kleinsten in der Gesellschaft besonders hart. Studien über die psychischen Belastungen verheißen nichts Gutes. Zugleich wachsen die Erkenntnisse über Folgen von Covid-19-Erkrankungen bei Kindern.

 Die massiven Belastungen für Kinder in der Corona-Krise rücken zunehmend in den Fokus.

Die massiven Belastungen für Kinder in der Corona-Krise rücken zunehmend in den Fokus.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Verpasste Entwicklungschancen, Ängste, Depression, Bewegungsmangel, familiärer Stress – die Corona-Pandemie kann besonders für Kinder und Jugendliche schwere Folgen haben. Die massiven Belastungen für die Kleinsten in der Gesellschaft geraten zunehmend in den Fokus. Sichere Aussagen zu den Langfrist-Folgen sind zwar laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) noch nicht möglich. „Es zeichnet sich jedoch ab, dass die lang andauernden Kontaktverbote und Schließungen von Bildungseinrichtungen und Sportvereinen nicht folgenlos bleiben werden“, sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach.

Noch eindeutiger äußert sich der Präsident der Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Jörg Dötsch: Kinder und Jugendliche würden „besonders stark“ an den Beschränkungen leiden, „zumal wir nicht in der Lage sind, einen guten Ausweg zu finden“. Der Direktor Kinder- und Jugendklinik an der Uniklinik Köln verweist auf die neue sogenannte COPSY-Studie aus Hamburg, wonach sich im laufenden zweiten Lockdown deutlich mehr Kinder und Jugendliche äußerst oder ziemlich belastet fühlen (85 Prozent) als noch im ersten Lockdown (70 Prozent). Die Schulschließungen führen demnach im zweiten Lockdown bei 7 von 10 Kindern zu einer verminderten Lebensqualität. Zum Vergleich: Noch vor der Corona-Krise war dies bei nur 3 von 10 Kindern der Fall. Geht es nach Dötsch, müssen politische Konsequenzen gezogen werden. „Daher erwarten wir von der Politik, dass sie sich mit aller Kraft dafür einsetzt, Schul- und Kita-Öffnungen zu ermöglichen“, sagte der Klinikdirektor. Leitlinien für Sicherheitsmaßnahmen seien inzwischen verfügbar, um den Unterricht so sicher wie möglich zu gestalten. „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie nicht nur auf diejenigen hört, die sich besonders lautstark äußern. Kinder können zwar auch laut werden, aber sie haben keine starke Lobby oder Netzwerke“, sagte Dötsch.

Neben den psychischen Belastungen wachsen auch Erkenntnisse über körperliche Folgeerscheinungen einer Covid-19-Erkrankung bei Kindern, darunter sogenannte „Covid Toes“. Diese Erscheinung vornehmlich an den Zehen gehöre zu den Gefäßentzündungen, die durch Covid-19 verursacht werden, erklärt Kinderarzt Dötsch. In seltenen Fällen komme es bei Kindern zu Thrombose, also zur Bildung von Blutgerinnseln. Das könne etwa zu Lungenembolien führen. „Es kann sich aber auch in kleinen Gefäßen wie den Zehen zeigen, man spricht dann von ,Covid Toes’“, so Dötsch. Entsprechende Fallberichte werden in einem Covid-Register gesammelt. Viele Symptome bei Kindern seien jedoch gut behandelbar. „Man kann also sagen, dass wir bislang Covid-Erscheinungen bei Kindern schon von anderen Krankheiten kennen und daher auf Behandlungsmöglichkeiten zurückgreifen können“, sagte der DGKJ-Präsident.

Zugleich werden die Rufe nach Impf-Perspektiven für Kinder lauter. „Wir hoffen, dass so schnell wie möglich ein Impfangebot für Kinder kommt“, betonte Dötsch. BVKJ-Präsident Fischbach beruft sich auf Informationen aus dem Bundesgesundheitsministerium, wonach es bereits im Sommer einen Impfstoff für Kinder geben könne. Fischbach rechnet mit einem Vakzin zuerst für die Altersgruppe 6 bis 17 Jahre.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zerstreute in dieser Woche jedoch Hoffnungen auf eine schnelle Zulassung. Die meisten Impfstoff-Hersteller hätten zwar bereits mit Studien zu Kindern und Jugendlichen begonnen. Belastbare Ergebnisse seien jedoch noch „nicht absehbar“, sagte Spahn am Mittwoch.

In den Zulassungsbescheinigungen der Europäische Zulassungsbehörde EMA ist festgeschrieben, dass erst bis 2024 Impfstoff-Studien bei Kindern vorliegen müssen. Diese Information „hat uns sehr enttäuscht und besorgt gemacht“, sagte Dötsch. „Allerdings hoffen wir, dass es schon bald zu ersten Ergebnissen kommt, denn manche Impfstoff-Hersteller haben schon im Oktober 2020 mit Studien bei Kindern begonnen“, so der Kölner Kinderklinik-Direktor.

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