Massen wollen Mubarak stürzen

Zehntausende haben in der Hauptstadt Kairo beim "Tag des Abgangs" für einen Regimewechsel demonstriert. Die Aktionen verliefen weitgehend friedlich. Nur am Rande des Tahrir-Platzes kam es erneut zu Ausschreitungen zwischen Unterstützern und Gegnern von Präsident Hosni Mubarak.

Kairo (maxi) Die Gewaltausbrüche der letzten Tage konnten sie nicht schrecken: Zehntausende Gegner des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak sind gestern auf den Tahrir-Platz, den Platz der Befreiung, im Herzen der ägyptischen Hauptstadt Kairo geströmt. Das Kalkül der Mubarak-Unterstützer ging damit nicht auf. Zwei Tage lang hatten sie sich mit den Regimekritikern heftige Straßenschlachten mit mindestens elf Toten und Tausenden Verletzten geliefert. Ausländische Beobachter waren sich weitgehend einig, dass die Gewalt von den Regimetreuen ausging. 24 Journalisten wurden nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten bei den Ausschreitungen festgenommen. Ein ägyptischer Reporter ist nach einem Bericht der Zeitung "Al Ahram" an den Folgen seiner Schussverletzung gestorben, die er Anfang der Woche während der Straßenschlachten erlitten hat.

Die Moral der Opposition ist ungebrochen. Die Mubarak-Gegner hatte vor allem über das inzwischen wieder freigegebene Internet zu einem "Tag des Abgangs" aufgerufen. Dieser verlief weitgehend friedlich. Die Demonstranten ließen die volksfestähnliche Stimmung, die noch Anfang der Woche vorgeherrscht hatte, wieder aufleben. Sie schmetterten die ägyptische Nationalhymne. Immer wieder gab es Sprechchöre, in denen der Rücktritt Mubaraks gefordert wurde. Zahlreiche ägyptische Flaggen wurden geschwenkt. Unter den Protestlern waren im Vergleich zu den zwei Tagen zuvor auch wieder viele Familien mit Kindern. Einige brachten Nahrungsmittel für die Regimegegner, die schon seit Tagen auf dem Tahrir-Platz ausharren.

Nur am Rande des Tahrir-Platzes kam es vereinzelt zu Zusammenstößen. Diese hatten jedoch nicht die bürgerkriegsähnlichen Ausmaße der vorangegangenen Tage. Teilnehmer der Demonstration berichteten, dass die Armee vereinzelt Warnschüsse abgegeben habe. Während des gesamten Tages hing die Sorge vor einem erneuten großflächigen Aufflammen der Gewalt wie ein Damoklesschwert über der Hauptstadt, an deren Himmel wieder Militärhubschrauber kreisten, um die Lage rund um den Tahrir-Platz im Blick zu behalten.

Am Morgen zeigte die Armee in Person des ägyptischen Verteidigungsministers Hussein Tantawi und weiterer ranghoher Offiziere auf dem Tahrir-Platz Präsenz. Sie versicherten den Demonstranten, die Armee beabsichtige auch weiterhin nicht, auf die Menschen auf dem Platz zu schießen. Es wäre jedoch besser, wenn sie nach Hause gingen, so die Einschätzung des Ministers. Dieser Rat wurde jedoch ignoriert, die Demonstranten hielten unbeirrt an ihrer Rücktrittsforderung fest. Denn auch beim Freitagsgebet rief der Muezzin den Massen auf dem Tahrir-Platz zu, sie sollten ihren Kampf fortsetzen und weiter ausharren. Auch forderte er eine Freilassung aller politischen Gefangenen.

Im Laufe des Tages zeigte sich der Generalsekretär der Arabischen Liga und ehemalige Außenminister in Mubaraks Kabinett, Amr Mussa, auf dem Tahrir-Platz. Seine Wagenkolonne wurde mit Rufen wie "Wir wollen dich als Präsidenten" empfangen. Mussa gilt vielen Ägyptern als erfahrener Staatsmann, außerdem ist seine scharfe Rhetorik gegenüber Israel populär. Trotz der Ausgangssperre kündigten die Demonstranten an, so lange auf dem Platz der Befreiung auszuharren, bis der Präsident zurücktritt.

Für Ärger sorgte eine Internet-Werbekampagne des amerikanischen Modedesigners Kenneth Cole. Mit dem Spruch "Millionen in Kairo sind in Aufruhr – Es geht das Gerücht, sie haben gehört, dass unsere neue Frühjahrskollektion online erhältlich ist", warb das Unternehmen auf der Internetseite des Kurznachrichten-Dienstes Twitter. Die Internet-Gemeinde geriet daraufhin so sehr in Aufruhr, dass Cole den Werbespruch von Twitter entfernte und sich öffentlich für die Kampagne entschuldigte.

Internet Fotos, Videos und die aktuelle Entwicklung der Proteste in Ägypten unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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