Analyse Frauen, traut euch mehr zu!

Düsseldorf · Die Familienministerin trommelt für gleichen Lohn, bald gibt es eine Frauenquote. Den Arbeitsmarkt wird das kaum gerechter machen. Dabei haben Frauen alles, was Unternehmen brauchen - nur oft zu wenig Selbstbewusstsein.

Manuela Schwesig: Frauen, traut euch mehr zu!
Foto: dgb

Wir haben die am besten ausgebildete Frauengeneration, die es in unserem Land je gegeben hat. Doch lediglich 40 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter arbeiten in Vollzeit. Die weitaus meisten Frauen, deren Job den Namen Karriere verdient, sind kinderlos. Viele Frauen mit Kindern hingegen krebsen unterfordert auf Teilzeitstellen herum. Im Management sind Frauen immer noch die Ausnahme, im Top-Management gar Exoten. Ganz an der Spitze findet man sie fast nie. Kurzum: Auf dem deutschen Arbeitsmarkt herrscht keine Chancengleichheit. Das liegt daran, dass die Arbeitszeit vielfach starr und die Kinderbetreuung schwer zu bekommen ist. Dass Frauen billiger sind als ihre männliche Kollegen. Und dass die Wirtschaft immer noch nicht erkannt hat, welche Vorzüge Frauen mitbringen.

Die Lohnkluft zwischen den Geschlechtern ist auch 2014 nicht kleiner geworden. Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes erhalten Frauen 22 Prozent weniger Gehalt. Die Differenz blieb damit das fünfte Jahr in Folge unverändert. Vergleicht man Männer und Frauen mit ähnlicher Qualifikation und ähnlichem Job, liegt der Verdienstunterschied pro Stunde bei sieben Prozent - auch das ist ein Skandal. Männliche Chemiker verdienen laut einer Studie der gewerkschaftnahen Hans-Böckler-Stiftung im Schnitt 5237 Euro brutto pro Monat, weibliche 4291 Euro. Das ist ein Unterschied von 18 Prozent. Weibliche Mitarbeiter bekamen bei Birkenstock bis 2013 einen Euro weniger pro Stunde. Weil sich eine Mitarbeiterin erfolgreich juristisch wehrte, muss sich der Schuhproduzent nun auf eine Klagewelle einstellen.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig dürfte das freuen. Die SPD-Politikerin will Frauen in Deutschland künftig per Gesetz ermöglichen, die Gehaltsstrukturen in ihrer Firma (sofern diese mindestens 500 Mitarbeiter hat) mit denen ihrer männlichen Kollegen zu vergleichen. Die eigentlichen Gründe für die ungleiche Durchschnitts-Entlohnung wird das Gesetz, wenn es denn kommt, aber nicht berühren. Denn es sind Fragen von tradierten Rollenbildern, die zu einer bestimmten Berufswahl führen. Es sind althergebrachte Aufgabenteilungen, wonach 69 Prozent der Mütter in Teilzeit gehen, wenn ein Kind da ist, aber nur sechs Prozent der Väter. Es sind Verhaltensweisen, die - warum auch immer - Frauen zurückhaltender in ihren Gehaltsverhandlungen auftreten lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Frauen allein unter Männern schnell fühlen wie ein Tropfen Essig in Olivenöl - es möchte sich nicht so recht von alleine vermischen.

Dabei wählen Frauen die Regierung, fahren Lkw, kleiden sich, wie sie möchten, leben ihre Sexualität aus, gewinnen Fußball-Weltmeisterschaften, gründen Unternehmen, werden Kanzlerin, gewinnen Oscars und schreiben Bücher - mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie Männer. Doch wenn eine Frau im Job schlagfertig ist, hat sie Haare auf den Zähnen; zeigt sie ihre Gefühle, ist sie eine Heulsuse; hat sie Erfolg, ist sie ein Karriereweib.

"Frauen geben sich leider viel zu oft damit zufrieden, dass sie das Haushaltseinkommen des Mannes ein bisschen aufstocken", sagt Karin Nordmeyer, Vorsitzende des deutschen Komitees UN Women, einer Organisation der Vereinten Nationen zur Gleichstellung der Geschlechter. 2014 arbeiteten 6,3 Millionen Frauen in sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjobs - das entspricht einem Zuwachs von 2,5 Millionen gegenüber 2013. Als Hauptgrund für ihre Teilzeittätigkeit nennt mehr als jede zweite Frau die Betreuung von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder andere familiäre Verpflichtungen. Einer Umfrage der Unternehmensberatung Accenture zufolge wünschen sich viele vor allem flexible Arbeitszeitmodelle, die auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten sind.

Ja, Frauen fehlt es oft an Imponiergehabe, an souveräner Parkettfähigkeit. Firmenchefs muss man in Sachen Frauen-Klüngelei keinen Riegel vorschieben, weil es gar kein Schloss dafür gibt. Auch deshalb kommen Frauen zwar immer häufiger ins mittlere Management, aber selten darüber hinaus. Deshalb sind nur zehn Prozent aller Führungsjobs von Frauen besetzt. Deshalb steht in keinem einzigen der 30 Dax-Konzerne eine Frau an der Spitze. Doch überblickt man neuere Studien, dann sind Frauen als Investoren besser, als Konsumenten einflussreicher, als Unternehmerinnen erfolgreicher und als Managerinnen teamfähiger als Männer. Also bitte liebe Unternehmer, seht hin: Frauen haben alles, was ihr sucht!

Natürlich gibt es auch Erschreckendes: Ministerinnen mit Kindern, denen kaum Zeit für das Familienleben bleibt. Managerinnen, die ihre Kinder gefühlt in der Mittagspause zwischen zwei Meetings gebären. Und Frauen, die an das Castingprinzip à la Dieter Bohlen und Heidi Klum glauben und um die Erlösung des Recalls flehen: Bitte sagt mir, dass ich gut bin.

Die Bundesregierung will 2016 eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen einführen. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind davon 108 Unternehmen betroffen. Doch es geht nicht darum, "Frauen an die Macht" zu rufen und Quoten zu verhandeln. Das ist der falsche Weg. Für jeden Betrieb muss Vorrang haben, die besten Mitarbeiter zu bekommen und zu fördern - egal ob Mann oder Frau. Oft geht es dabei darum, Chancen, die sich bieten, ohne Zögern zu ergreifen; mutig und tollkühn zu sein. Das kann man trainieren - egal ob männlich oder weiblich.

Natürlich gibt es bei all dem nicht "die Frauen", genauso wenig wie es "die Männer" gibt. Aber es gibt Unterschiede. Frauen sind nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders. Sie bringen geschlechtsspezifische Fähigkeiten mit, haben biografisch anderes im Gepäck, was sinnvoll eingesetzt werden kann. Überall dort, wo kommunikatives Handeln, Loyalität und Mitarbeitermotivation zum Erfolg führt, gehören Frauen hin. Vor allem also in die Führungsetagen - wenn sie es denn wollen.

(RP)
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