Düsseldorf Mann im Koma: Täter stellt sich

Düsseldorf · Offenbar aus Notwehr hat ein 17-jähriger Schüler an der Straßenbahnhaltestelle "An der Piwipp" in Unterrath einen Mann mit einem Kantholz geschlagen. Das Opfer schwebt in Lebensgefahr.

Bei einem Streit um laute Musik ist es am späten Freitagabend in einer Düsseldorfer Straßenbahn zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen drei Jugendlichen und einem 44-jährigen Fahrgast gekommen. Am Ende dieses Streits lag der Mann schwer verletzt am Boden, getroffen vom Schlag mit einem Kantholz.

Zunächst sah es nach ersten Erkenntnissen so aus, als sei die Aggression von den Jugendlichen ausgegangen. Doch am Samstagnachmittag berichteten die Schüler der Polizei, sie seien von dem Mann angegriffen worden und hätten aus Notwehr gehandelt. Die drei Jugendlichen, die unter dem Verdacht eines versuchten Tötungsdeliktes standen, seien "sehr erschüttert" und in Begleitung ihrer Eltern am Samstagnachmittag zu einer Polizeiwache gekommen und hätten sich gestellt, hieß es. Ihre Aussagen gaben den Ermittlungen der Kriminalpolizei eine Wendung.

Notarzt und Polizei waren Freitagnacht gegen 23.30 Uhr zur Haltestelle "An der Piwipp" in Unterrath gerufen worden. Dort lag ein Mann am Boden, blutend, ohne Bewusstsein, sein Atem stand bereits still. Er wurde reanimiert, ins Krankenhaus gebracht und operiert. Dort liegt er seitdem im Koma, schwebt in Lebensgefahr. Er sieht so aus, dass er – falls er wieder aufwacht – bleibende Schäden davontragen wird.

Die Ermittler schenken der Darstellung der drei Jugendlichen Glauben. Demnach fühlten die Jugendlichen sich bedroht, weil der 44-jährige Massimiliano L. sie mit seinem Gürtel in der Hand offenbar angreifen wollte. Der Mann habe auf sie aggressiv und angetrunken gewirkt.

Die Schüler seien aus der Bahn gestiegen, daraufhin habe der Italiener, der in Rees lebt und in Düsseldorf arbeitet, einen der drei mit seinem Gürtel von hinten auf den Rücken geschlagen. Er wusste nicht, dass dieser Junge ein Kantholz in der Hand hatte, das dieser an seinem Sitz in der Bahn gefunden. Es war offenbar im Laufe des Tages von einem anderen Fahrgast liegengelassen worden. "Vielleicht nach einem Einkauf im benachbarten Baumarkt", vermutet Staatsanwalt Christoph Kumpa.

Der Jugendliche habe es aufgehoben, um sich damit eventuell gegen den Italiener zu wehren. Und genau mit diesem Holz habe sich der 17-jährige Schüler verteidigt, den Mann einmal gegen die Rippen und einmal an den Kopf geschlagen. Daraufhin sei Massimiliano L. auf den Asphalt an der Haltestelle gefallen. Ob nun der Schädelbruch durch den Schlag oder den Sturz entstanden ist, steht noch nicht fest. Rechtsmedizinische Untersuchungen stehen noch aus.

Der Mann war in Begleitung seiner 52-jährigen Lebensgefährtin, die er zuvor von ihrer Arbeitsstelle, einer Gaststätte in Unterrath, abgeholt hatte. Gemeinsam wollten sie zu ihr nach Hause nach Flingern. Massimiliano L., der schon angetrunken war, als er sie abgeholt hatte, wollte nach ihren Aussagen noch weitertrinken. Wie hoch sein Promillegehalt war, wollten Polizei und Staatsanwalt nicht genau sagen. Er sei aber erheblich gewesen.

Für den Staatsanwalt ergibt sich eine neue juristische Bewertung. War er zuerst von einem versuchten Tötungsdelikt ausgegangen, kann es nun sein, dass er auch gegen das Opfer ermittelt. Schließlich habe der Mann die drei Schüler bedroht. "Und man darf sich gegen jeden Angriff, gegen jede gefährliche Körperverletzung wehren – auch mit einer Waffe", so Staatsanwalt Kumpa. Gegen den Schüler, der mit dem Kantholz zugeschlagen habe, erließ er keinen Haftbefehl. Zum einen sei dieser erst 17 Jahre alt, zum anderen bestehe keine Fluchtgefahr und habe er einen festen Wohnsitz.

Für die Düsseldorfer Kriminalpolizei sind jetzt weitere Zeugenaussagen ganz wichtig. "Vor allem von den unbeteiligten Fahrgästen aus dieser Nacht", so der Staatsanwalt. Erst dann könne der Fall zweifelsfrei geklärt werden.

(RP)
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