Lupenreiner Wahlfälscher

Das deutsche Dilemma mit Russlands Wahlsieger Wladimir Putin ist leicht zu beschreiben, aber nur schwer aufzulösen: Demokratie gegen Stabilität. Wo unsere Nachkriegsordnung sich als erste der deutschen Geschichte als stabil erwiesen hat, weil sie entgegen allen Unkenrufen zutiefst demokratisch ist, gehen die Uhren in Russland noch anders. Nicht alle der Stimmen für Putin sind gefälscht. Viele Russen haben ihn gewählt, weil er ihnen als Garant stabiler Verhältnisse erscheint. Die russische Nachsowjet-Demokratie hat chaotische 90er Jahre erlebt, da erscheint vielen die die Freiheit erstickende, jedoch den Nationalstolz hätschelnde Putinkratie als das kleinere Übel.

Der "lupenreine Demokrat", als den ihn der Gazprom-Angestellte Gerhard Schröder lobte, ist Putin natürlich nicht. Er hat das System geschaffen, das ihn wieder an die Spitze gebracht hat. Ohne Reformen wird ihn dieses System jedoch nicht mehr Jahre tragen. Auch weil er die gebildete Mittelschicht braucht, die jetzt aufbegehrt. Putin zu verteufeln, wäre deshalb aus westlicher Sicht der falsche Weg. Die russische Scheindemokratie lässt sich nur durch beharrlichen Dialog unterhöhlen. Diese Strategie hieß in der Ost-West-Politik früher "Wandel durch Annäherung". Sie brachte eine Mauer zum Einsturz. Im Kreml müsste man nur die Tore aufstoßen.

(RP)
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