Madrid "Luis, der Mistkerl" heizt Spaniens Politik ein

Madrid · Der Ex-Schatzmeister der konservativen Volkspartei bezichtigt Premier Mariano Rajoy der Verwicklung in ein Schwarzgeldsystem.

 Luis Bárcenas auf dem Weg zu einem Ermittlungstermin in Madrid. Das Bild entstand im Februar.

Luis Bárcenas auf dem Weg zu einem Ermittlungstermin in Madrid. Das Bild entstand im Februar.

Foto: dpa

Luis Bárcenas hat in der Volkspartei viele Spitznamen, doch freundlich klingt keiner davon. Bei "Luis el Cabrón" zum Beispiel, zu deutsch etwa "Luis, der Mistkerl", schwingt eher Furcht als Anerkennung mit. Mehr als 20 Jahre lang war Bárcenas als Geschäftsführer und Schatzmeister der Volkspartei der mächtige Mann im Hintergrund bei Spaniens Konservativen. Fällt sein Name, werden bei der regierenden Volkspartei viele nervös, kommen in Erklärungsnot, verfangen sich in Widersprüchen.

So betont Generalsekretärin María Dolores de Cospedal bis heute, Bárcenas arbeite schon seit drei Jahren nicht mehr für die Partei. Doch im Februar fanden spanische Medien heraus: Die Konservativen zahlten ihm auch nach 2010 bis Anfang 2013 jeden Monat 21 300 Euro. Die Zahlungen wurden erst eingestellt, als "El País" Ende Januar Fotokopien von handschriftlich geführten Kontoblättern veröffentlichte. Auf ihnen sind mutmaßliche Spenden von Unternehmen als Eingänge verzeichnet, insbesondere von Baukonzernen, und auch Zahlungen an Spitzenpolitiker der Volkspartei. Bárcenas leugnete zunächst, Autor dieser Aufzeichnungen zu sein. Jetzt bekennt er sich dazu und erklärt, es handele sich um eine doppelte Buchhaltung bei der Volkspartei.

Die Berichte sind brisant. Parteispenden von Unternehmen, die öffentliche Aufträge bekommen, sind verboten. Außerdem waren zahlreiche der Empfänger zur Zeit der mutmaßlichen Sonderzahlungen als Minister in Amt und Würden und durften neben dem Ministergehalt keine weiteren Einkünfte haben. Zwar bestätigen einige der in den Listen aufgeführten Empfänger, Geld bekommen zu haben. Die meisten Politiker weisen die Vorwürfe hingegen von sich.

Bárcenas schwieg lange Zeit. Dabei hatte er schon vor Monaten neun Umzugskartons voller Akten aus der Parteizentrale abholen lassen. Jetzt hat er seine Verteidigungsstrategie geändert und sich mit Pressevertretern getroffen. Die Tageszeitung "El Mundo" bringt inzwischen fast täglich eine Exklusivgeschichte mit Dokumenten von Bárcenas. So berichtete die Zeitung gestern über Schwarzgeldkonten in Höhe von 8,3 Millionen Euro bei der Volkspartei und druckte auch die dazu gehörigen Kontoauszüge ab. Die regelmäßigen Auszahlungen an die Spitzenpolitiker beginnen diesen Aufzeichnungen zufolge 1997, ein Jahr nach dem ersten Erfolg der Volkspartei bei den spanischen Parlamentswahlen. Für jenes Jahr werden mutmaßliche Zahlungen auch an "M.R." oder "M.Raj." in Höhe von insgesamt 42 000 Euro dokumentiert. Bárcenas zufolge stehen diese Initialen für Mariano Rajoy, den Regierungschef.

Für Ernesto Ekaizer, Autor eines Buchs über den "Fall Bárcenas", spiegeln die Dokumente ein illegales Finanzierungssystem wider, das über Jahrzehnte praktiziert wurde. Ein Wink von Bárcenas an Kommunen oder Regionalregierung habe genügt, damit Firmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt wurden. In seinem Buch berichtet er über Unternehmen, die für den Erhalt öffentlicher Aufträge Millionen an Konten in der Schweiz gezahlt haben, deren Inhaber sie nicht kannten. Dieses Prinzip — Auftragsvergabe gegen eine Art Parteisteuer — habe im Rahmen eines Firmennetzwerkes vor allem in den Regionen Madrid und Valencia geherrscht, also den beiden traditionellen Hochburgen der Volkspartei.

Dabei ist aber auch Bárcenas selbst reich geworden. Auf Schweizer Konten verfügte er zeitweise über 48 Milliarden Euro. Als Kontobewegungen darauf schließen ließen, dass er seine Flucht ins Ausland vorbereitete, nahm ihn der Untersuchungsrichter vergangene Woche in Untersuchungshaft. Seither sieht er sich offenbar als Bauernopfer seiner Partei und Rajoys, den er stets als Freund bezeichnet und mit dem er einen intensiven SMS-Kontakt hatte. Angesichts des harten Ermittlungsverfahrens riet ihm Rajoy zum Beispiel: "Luis, bleib stark. Morgen rufe ich dich an."

Der Premier weist alle Vorwürfe zurück. Dokumente, die die Mutmaßungen um illegale Machenschaften um Parteispenden bei der Regierungspartei wirklich beweisen würden, gibt es bislang nicht Die Kontoauszüge könnten gefälscht sein, und auch Bárcenas räumte vor dem Untersuchungsrichter ein, es gebe keine Quittungen über den Empfang der Zusatzgehälter für die Politiker. Die Konten in der Schweiz belasten vor allem den ehemaligen Schatzmeister. Ihm droht eine Anklage wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, Geldwäsche und Urkundenfälschung.

(RP)
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