London London will EU-Bürger nur noch auf Zeit

London · Künftig soll es für Geringqualifizierte einen Aufenthalt von maximal zwei Jahren geben, während besser Ausgebildete zwischen drei und fünf Jahre lang bleiben dürfen. Britische Bewerber sollen grundsätzlich bevorzugt werden.

 Einreisekontrolle am Londoner Flughafen Heathrow.

Einreisekontrolle am Londoner Flughafen Heathrow.

Foto: dpa

Großbritannien erwägt scharfe Einreisebeschränkungen für EU-Bürger nach erfolgtem Brexit. Das enthüllt ein geheimes Dokument aus dem Innenministerium, das der linksliberalen Zeitung "Guardian" zugespielt wurde und am Dienstag für großes Aufsehen in London sorgte. Denn erstmals verrät hier die britische Regierung, wie sie sich die Immigration nach dem Brexit vorstellt. Bei dem Papier handelt es sich um einen 82 Seiten umfassenden "offiziellen Entwurf", der als "sensitiv" gestempelt und mit August 2017 datiert ist. Er wurde von Beamten des Innenministeriums für Premierministerin Theresa May erstellt und soll zu Spaltungen innerhalb des Kabinetts geführt haben. Denn die teils kompromisslosen Vorschläge, die das Papier enthält, könnten eine von Großbritannien gewünschte Übergangsregelung nach dem EU-Austritt im März 2019 unterlaufen und widersprechen Aussagen des Finanzministers Philip Hammond und der Innenministerin Amber Rudd über ein liberales Einwanderungs-Regime.

Ziel der Pläne ist das "Ende der rechtebasierten, bedingungsfreien Freizügigkeit" und der Beginn einer gesteuerten Immigration, die nachdrücklich britische Interessen priorisiert. "Einfach ausgedrückt bedeutet das", heißt es in dem Dokument, "dass Immigration, um für das Land als Ganzes wertvoll erachtet zu werden, nicht nur den Migranten nützt, sondern auch die Einwohner besserstellt." So soll nach dieser Strategie die Verbindung zwischen Einwanderung und dem Niederlassungsrecht gebrochen werden: Künftig soll es für geringqualifizierte EU-Bürger nur noch einen Aufenthalt von maximal zwei Jahren geben, während besser Ausgebildete zwischen drei und fünf Jahren bleiben dürfen. Britische Unternehmen würden angewiesen, bei der Einstellung britische Bewerber zu bevorzugen. Die Zahl der EU-Einwanderer soll durch eine Verdienstschwelle, ein Anforderungsprofil und eine Quotenregelung beschränkt werden. Auch der Familiennachzug soll durch die Pläne erschwert werden: Nur Lebenspartner, Kinder unter 18 Jahren und erwachsene Unterhaltsberechtigte dürfen nachfolgen.

Noch sind die Pläne nicht offizielle Politik, denn hinter den Kulissen wird darum gerungen, Teile davon liberaler zu gestalten, nicht zuletzt, weil die Wirtschaft - oder zum Beispiel auch der Nationale Gesundheitsdienst - auf die Arbeitskraft von EU-Ausländern dringend angewiesen ist. Doch Premierministerin May gilt als Hardlinerin, wenn es um die Einwanderung geht. Sie, die vor ihrem Karrieresprung zur Premierministerin dem Innenministerium vorstand, hat als Ziel vorgegeben, dass die Netto-Einwanderung in Großbritannien, die zur Zeit bei einer knappen Viertelmillion liegt, auf unter 100.000 Zuzügler im Jahr gedrückt werden muss. Viele ihrer Parteifreunde und Ökonomen halten das für illusorisch, aber May denkt, dass eine deutliche Begrenzung der Einwanderung zu den zentralen Versprechen des Brexit gehört.

So ist es nicht überraschend, dass Brexit-Hardliner die Pläne enthusiastisch begrüßen. Lord Green, Gründer der Organisation "Migrationwatch UK", sprach von "exzellenten Neuigkeiten": "Unkontrollierte Einwanderung aus der EU darf einfach nicht so weitergehen." Der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, dagegen bezeichnete die Pläne als "eine Blaupause, wie man unsere Wirtschaft abwürgt". Auch die Labour-Politikerin und Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Yvette Cooper, verurteilte das Dokument und beschuldigte die Regierung, nicht auf unabhängige Stellen zu hören. Der Streit um die Einwanderungspolitik geht weiter und könnte dazu führen, dass Theresa May ihre Grundsatzrede über "Großbritannien nach dem Brexit", die für den 21. September vorgesehen war, verschieben muss.

(RP)
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