Beratungen von Bund und Ländern Lockdown für vier weitere Wochen möglich

Berlin · Die Corona-Lage bleibt angespannt: Bei den Infektionszahlen deutete sich zuletzt leichte Entspannung an, aber wie sicher ist das? Dazu kommt ein neuer Virustyp. Lockerungen sind vorerst nicht in Sicht, vielmehr könnte es an diesem Dienstag zu weiteren Verschärfungen kommen.

 An einem Berliner Restaurant stehen zusammengeklappte Stühle. Bund und Länder beraten am Dienstag über schärfere Corona-Maßnahmen.

An einem Berliner Restaurant stehen zusammengeklappte Stühle. Bund und Länder beraten am Dienstag über schärfere Corona-Maßnahmen.

Foto: dpa/Kira Hofmann

Trotz leicht rückläufiger Infektionszahlen bereiten Bund und Länder eine Verlängerung des Lockdowns und einzelne Verschärfungen vor. Das erfuhr unsere Redaktion am Montag aus Regierungskreisen von Bund und Ländern. Demnach könnten sich die Regierungschefs der 16 Bundesländer mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Ministerpräsidentenkonferenz beispielsweise auf eine Ausweitung des Homeoffice und die Pflicht zum Tragen medizinischer Masken beispielsweise in Betrieben oder Großraumbüros einigen.

Die Gesprächsrunde war angesichts der möglichen Gefahr durch mutierte Varianten des Virus um knapp eine Woche vorverlegt worden. Bereits am frühen Montagabend kamen Merkel und die Ministerpräsidenten in einer virtuellen Konferenz mit Wissenschaftlern zusammen, um sich von ihnen über die Ausbreitung solcher Mutationen und mögliche Szenarien unterrichten zu lassen. Bisher gilt der Lockdown mit der Schließung von Gastronomie, Einzelhandel und Freizeiteinrichtungen bis Ende Januar. Eine Verlängerung um weitere Wochen gilt als sicher. Die Gesetzeslage erlaubt ein Fortschreiben der Einschränkungen um maximal vier Wochen.

Aus den Ländern hieß es jedoch, drastische Verschärfungen, auf die Teile der Bundesregierung hinwirken wollten, seien angesichts leicht sinkender Inzidenzwerte nicht vermittelbar. Das Robert-Koch-Institut registrierte am Montag nach einigen Nachmeldungen vom Wochenende rund 8800 neue Fälle, deutlich weniger als vor einer Woche. Und nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist auch die Zahl der Intensivpatienten in Krankenhäusern „um zehn bis 15 Prozent“ gesunken. Die Kultusminister drängen deshalb in vielen Ländern bereits darauf, dass es eine Öffnungsperspektive zumindest für Grundschulen geben müsse.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger sagte: „Wir erwarten von der MPK und der Bundeskanzlerin, dass endlich ein an Infektionszahlen gebundener Hygienestufenplan für den Schulbetrieb vorgelegt wird, der klar regelt, ab welchem Infektionsgeschehen für welche Altersgruppe welche Unterrichtsform möglich ist.“ Meidinger nannte Präsenzunterricht, Wechselbetrieb oder Distanzunterricht als Möglichkeiten. „Bei der Rückkehr an die Schulen sollten die Abschlussklassen und die Primarstufe bevorzugt berücksichtigt werden“, so Meidinger. Zudem forderte er, dass Lehrkräfte frühzeitig geimpft werden müssten. „Zumindest für die Gruppe der über 60-Jährigen und der Lehrkräfte mit Vorerkrankungen müsste eine Impfung noch in diesem Quartal unbedingt ermöglicht werden“, sagte Meidinger.

Über Lockerungen wollen die meisten Regierungschefs der Länder aber noch nicht sprechen. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte auf Anfrage: „Die Infektionszahlen sind zwar nach wie vor hoch, doch wir sehen, unsere Maßnahmen beginnen zu wirken.“ Sollte die Zahl der Corona-Infizierten weiter abflachen, so erscheine Licht am Ende des Tunnels. „Doch damit haben wir die Lage noch nicht endgültig in den Griff bekommen“, sagte Hans. Man müsse jetzt rechtzeitig handeln, bevor das mutierte Virus sich auch bei uns – ähnlich wie in Großbritannien – massiv verbreite. „Vor diesem Hintergrund dürfen wir jetzt kein Risiko eingehen und vorschnell wieder lockern. Länder wie Irland sind ein warnendes Beispiel, wie schnell man Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie wieder zunichtemachen kann, wenn man zu früh Beschränkungen aufhebt“, sagte Hans. „Eine bundesweite und bundeseinheitliche Verschärfung unserer bisherigen Maßnahmen sollten wir daher nicht ausschließen, sondern offen darüber morgen diskutieren.“ Gerade im öffentlichen Bereich könne wir noch mehr tun, um das Ansteckungsrisiko zu verringern.  „Dazu gehört das Tragen von FFP2-Masken, mehr Möglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice zu arbeiten und auch das Thema Ausgangsbeschränkungen.“ Auch Hamburgs Erster Bürgermeister, Peter Tschentscher (SPD) mahnte, die bisherigen Lockdown-Maßnahmen hätten noch nicht dazu geführt, dass die Zahl der Neuinfektionen ausreichend gesunken sei.

Der künftige Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, warnte jedoch vor sinkender Akzeptanz der Bevölkerung, wenn Bund und Länder den Corona-Lockdown weiter verschärften. „Wenn die Politik am Dienstag weitere Verschärfungen beschließen möchte, müssen diese auch wirklich durch Fakten belegbar sein, sonst wird man die Menschen dafür nicht gewinnen können“, sagte Gaß. „Damit meine ich zum Beispiel konkrete Mobilitätsdaten, wenn es darum geht, den Bewegungsspielraum der Menschen noch stärker einzuschränken, oder Analysen der Gesundheitsämter oder des RKI, wo die Cluster der Ansteckungen tatsächlich häufig nachweisbar sind – im beruflichen Umfeld im privaten Umfeld, in der Schule etc.“ Ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung würden verschärfte Regeln kaum durchsetzbar sein, sagte Gaß. Er verwies auf eine Entspannung des Infektionsgeschehens und plädierte für eine Fortführung der derzeitigen Maßnahmen. „Der aktuelle Lockdown hat gewirkt. Die Infektionszahlen sind gesunken und auch der Anstieg der Patientenzahlen in den Krankenhäusern konnte gestoppt werden. Den eingeschlagenen Weg sollte man noch für einige Wochen beibehalten und die Situation weiterhin engmaschig beobachten“, sagte Gaß.

Die Kommunen forderten hingegen schärfere Maßnahmen. Städtetagspräsident Burkhard Jung sagte unserer Redaktion: „Was wir alle bisher tun, ist wichtig, aber es reicht in der Summe nicht. Der Lockdown wirkt nicht so stark wie erhofft.“ Man müsse jetzt auch die Gefahren durch die mutierten Virusvarianten begrenzen. „Wir brauchen einen stabilen Abwärtstrend bei den Neuinfektionen, damit nicht so viele Menschen an schweren Corona-Folgen sterben. Das ist der Maßstab. Wir dürfen uns nicht an die vielen Corona-Toten gewöhnen“, sagte Jung. Bund und Länder würden jetzt nachsteuern. „Dabei ist es richtig, auch neu über Ausgangsperren nachzudenken. Auch wenn solche Schritte schwerfallen, müssen sie besprochen werden. Denn es muss darum gehen, die Kontakte, wo immer möglich, noch weiter zu reduzieren“, sagte Jung.

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