Aktion gegen Lira-Verfall Gratis-Grabsteine sollen die Türkei retten

Istanbul · Präsident Erdogan ruft zum Kampf gegen den Kursverfall der türkischen Lira auf - sein Volk reagiert: Ungewöhnliche Aktionen wie die Abgabe von Gratis-Grabsteinen sollen der Währung auf die Beine helfen.

Der türkische Präsident Erdogan (am Mittwoch in Ankara).

Der türkische Präsident Erdogan (am Mittwoch in Ankara).

Foto: ap, BO

Enes Alan will das Vaterland retten - und zwar mit Grabsteinen. Der Steinmetz aus Bursa im Nordwesten der Türkei führt einen ganz privaten Kampf gegen den Verfall der Landeswährung Lira, die in diesem Jahr rund 20 Prozent an Wert verloren hat. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Türken aufgerufen, ihre Dollar-Ersparnisse in Lira umzutauschen - und Alan will den Staatschef unterstützen: Jeder Kunde, der die Umwandlung von mindestens 2000 Dollar in Lira nachweisen kann, soll ab sofort einen Grabstein gratis erhalten.

Die Aktion ist ganz nach dem Geschmack Erdogans. Der Präsident wittert - wie bei anderen Problemen auch - hinter dem starken Kursverlust der Lira eine Verschwörung. Tatsächlich sind die Probleme aber zumindest zum Teil hausgemacht. Die Lira ist nicht nur wegen der Stärke des US-Dollar unter Druck geraten. Auch das große Außenhandelsdefizit und die wachsende Nervosität von Türkei-Investoren lassen die Lira abstürzen.

Viele Türken, die sich noch an die horrenden Inflationsraten in den 90er-Jahren erinnern können, sichern ihre Ersparnisse ab, indem sie größere Lira-Beträge in Dollar oder Euro umtauschen und unter das Kopfkissen legen. Die derzeitige Lira-Inflation von immer noch sieben Prozent und die unsicheren Aussichten für das Land bieten keinen großen Anreiz, mit dieser Tradition zu brechen. Das muss aufhören, sagt Erdogan. "Alle, die Fremdwährung unter der Matratze haben, sollen das Geld in Lira oder Gold umwandeln", sagt der Präsident seit Tagen immer wieder.

Steinmetz Alan und andere folgen dem Appell Erdogans. Ein Pizza-Dienst mit 165 Filialen bietet eine Gratis-Pizza plus eine türkische Fahne für jeden Kunden, der 100 Dollar umtauscht. Ein Fischhändler in Yalova südlich von Istanbul gewährt einen zehnprozentigen Rabatt. In Bäckereien im ostanatolischen Bingöl können patriotische Lira-Anhänger gratis frühstücken und einkaufen. Auch Behörden und Institutionen machen mit.

Die Opposition in Ankara fordert, Erdogan solle selbst mit gutem Beispiel vorangehen und seine Dollarkonten auflösen - das Justizministerium antwortete, das sei bereits geschehen. Beweise legte das Ministerium allerdings nicht vor. Auch beim Handel mit Russland, Iran und China sollten künftig lokale Währungen benutzt werden: Türkische Exporte sollen demnach von den Partnern in Lira bezahlt werden, während die Türkei die Kosten für Importe aus diesen Ländern in deren jeweiligen Währungen begleicht. Ob die anderen Länder mitmachen, ist unsicher. Experten reagieren skeptisch auf Erdogans Lira-Notprogramm. Möglicherweise werden Gratis-Grabsteine also nicht ausreichen.

(RP)
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