Koalition in Mecklenburg-Vorpommern startet mit Altlast Stasi-Schatten über Schwesigs Koalition
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) startet ihr rot-rotes Bündnis in Mecklenburg-Vorpommern mit einer Hypothek: Der Linke-Landeschef, ein Ex-Stasi-IM, hat den Koalitionsvertrag mitausgehandelt.
Zwei Stimmen fehlten. Damit kann Manuela Schwesig leben. 41 von 43 möglichen Stimmen von SPD und Linken im Landtag. Beide Daumen hoch, ein von beiden Händen geformtes Herz-Symbol Richtung Besuchertribüne, wo Ehemann Stefan und ihre beiden Kinder Julian und Julia sitzen. Seit Montag ist die SPD-Politikerin in ihrem Amt als Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern bestätigt. Schwesig hat dazu den Koalitionspartner gewechselt. Raus aus der großen Koalition mit der CDU, rein in ein neues Landesbündnis mit der Partei Die Linke. Doch über der noch jungen rot-roten Koalition im Land an der Ostsee – in nur 26 Tagen ausverhandelt -- hängt ein Stasi-Schatten. Torsten Koplin, seit 2017 Co-Vorsitzender der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, hat den Koalitionsvertrag als Landesvorsitzender maßgeblich mitausgehandelt. Aber der 59 Jahre alte Landtagsabgeordnete ist auch ein Mann mit Vergangenheit. Dass Koplin zu alten DDR-Zeiten für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) spionierte, gab der Linke-Politiker, der 1981 in die SED eintrat, vor einiger Zeit mit der Bitte um Entschuldigung zu. Ende 2017 hatte eine Kommission des Schweriner Landtages -- nach Überprüfung auf freiwilliger Basis -- die Arbeit von Koplin für die Stasi festgestellt. Koplin hatte sich demnach zunächst für drei Jahre beim Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ verpflichtet und spitzelte später als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die Stasi.
Interessant könnte werden, wie glaubwürdig sich Rot-Rot in Mecklenburg-Vorpommern an dem eigenen Koalitionsvertrag orientiert. Denn dort heißt es auf Seite 51 unter anderem: „Die Koalitionspartner erinnern an das in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR geschehene Unrecht. Auch auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern starben Menschen beim Versuch, über Land oder das Meer die Grenze zu überwinden, wurden Menschen aus politischen Gründen drangsaliert und verhaftet. Die Überwindung der Grenzen und des Unrechts der SED-Diktatur durch die Friedliche Revolution von 1989 ist und bleibt Teil der Gedenkkultur des Landes.“ Und weiter: „Die Koalitionspartner bekennen sich zum fortgesetzten Dialog mit den Opfern der SED-Diktatur. Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und die Friedlichen Revolution werden weiterhin einen zentralen Stellenwert in der Politischen Bildung haben.“ Die Arbeit der Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur würden SPD und Linke „weiter unterstützen“, versprechen die beiden Koalitionspartner.
Gegen Koplin gibt es im Land wegen dessen Stasi-Vergangenheit massive Vorbehalte. Auch treibt Menschen die Frage um, ob der Linke-Politiker den Koalitionsvertrag überhaupt hätte mitaushandeln dürfen. Koplin hat zwar keinen Ministerposten, doch er pflegte über Jahre enge Kontakte zu Verbänden ehemaliger Stasi-Mitarbeiter, was Koplin auch zugab. Das wiederum schürt Bedenken, in der neuen rot-roten Landesregierung könnten im Verborgenen auch alte Stasi-Leute mitwirken. Die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, betont, es bereite Opfern politischer Repressionen in der DDR Sorgen, „wenn Menschen, die in der DDR politische Verantwortung getragen haben oder für das MfS tätig waren, heute wieder wichtige Positionen bekleiden“. Allerdings habe sich Koplin offen zu seiner Vergangenheit geäußert „und mehrfach seine MfS-Tätigkeit bedauert“. Auch Linke-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler sagte unserer Redaktion, Koplin habe zu seiner eigenen Arbeit für die Staatssicherheit „wiederholt Stellung bezogen und sich dafür entschuldigt“. Die aktuellen Vorwürfe gegen ihn entbehrten jeder Grundlage. Koplin suche vielmehr den „kritischen Dialog mit Menschen, die in der DDR für den Sicherheitsapparat gearbeitet haben“.
Die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, Evelyn Zupke, versteht derlei Nachsicht mit Koplin nicht und sagt hingegen, die Koalition mit der Linken in Mecklenburg-Vorpommern sei nur „schwer zu ertragen“. Für die Opfer der SED-Diktatur sei es ein Hohn, dass mit Koplin ein ehemaliger Stasi-Spitzel als Linke-Landesvorsitzender an entscheidender Stelle in der rot-roten Koalition mitarbeite. Koplin stehe für Verharmlosung des SED-Unrechts und nicht für Aufarbeitung. Es stimme sie nachdenklich, dass Ministerpräsidentin Schwesig mit einem ehemaligen Stasi-Spitzel zusammenarbeite.