Nationale Sicherheitsstrategie Lambrecht sieht Deutschland als Führungsmacht - auch militärisch

Berlin · Zeitenwende – quo vadis Deutschland, quo vadis Bundeswehr? Verteidigungsministerin Christine Lambrecht fordert in einer Rede über die erste nationale Sicherheitsstrategie eine Neuorientierung und sieht für Deutschland eine Rolle als „Führungsmacht, auch militärisch“.

Das ist Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
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Foto: dpa/Ján Krošlák

Am Wochenende haben sich Christine Lambrecht und Eberhard Zorn noch einmal über die Liste verfügbaren Geräts gebeugt. Die Verteidigungsministerin und der Generalinspekteur der Bundeswehr stellten sich mit Blick auf die Ukraine die Frage: Was können wir noch liefern, was geht nicht mehr? Sie hätten „noch einmal alle Möglichkeiten ausgelotet“, sagt Lambrecht bei einer Grundsatzrede zur nationalen Sicherheitsstrategie in den Räumen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) am Montag in Berlin.

Die Ministerin kam nach eigenen Worten am Ende zu dem Ergebnis: Deutschland wird bei der heftig diskutierten Lieferung von Schützen- und Kampfpanzern „keinen Alleingang“ wagen. Bislang seien noch von keinem EU- oder Nato-Partner Kampfpanzer westlicher Bauart an die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Aggressoren geliefert worden. Deutschland werde in dieser Frage keineswegs voranpreschen, sondern sich im nordatlantischen Bündnis mit den Partnern eng abstimmen.

Die Nato habe sich gerade in den vergangenen Wochen „mehr als bewährt“, sagt die SPD-Politikerin. Zuletzt hatte die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appelliert, die deutsche Zurückhaltung aufzugeben und den Schützenpanzer „Marder“ wie auch den Kampfpanzer „Leopard 2“ an die Ukraine zu liefern.

Dann kommt Lambrecht auf die nationale Sicherheitsstrategie zu sprechen, die diese Bundesregierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes in dieser Legislaturperiode erstmals auflegen will. Deutschland brauche vor allem eines: Veränderung. „Umdenken tut weh“, betont sie. „Aber mit unseren alten Selbstbildern können wir die Sicherheit unserer Kinder und Enkel nicht mehr garantieren“, so die Verteidigungsministerin. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte Mitte März bei der Auftaktveranstaltung zur Entwicklung einer nationalen Sicherheitsstrategie unter anderem erklärt: „Es ist klar, dass die Einsätze unserer Soldatinnen und Soldaten nicht mehr automatisch Tausende Kilometer entfernt von Flensburg und oder Freiburg sein werden. Trotzdem bleiben diese Einsätze wichtig. Und in diesem Sinne werden wir jetzt unsere Sicherheitspolitik neu definieren.“

Lambrecht betont nun, sie wolle die Bundeswehr wieder „als zentrale Instanz unserer Daseinsvorsorge“ aufstellen. Landes- und Bündnisverteidigung stünden künftig wieder an erster Stelle, auch wenn sich Deutschland weiter an Auslandseinsätzen wie etwa in Mali beteiligen werde. „Ich lasse mich nicht von jeder russischen Kraft aus dem Land treiben“, spielt Lambrecht auf den Einsatz russischer Söldner in Mali an, die auf Geheiß der Regierung in Bamako für Sicherheit sorgen sollen, obwohl EU und UN mit eigenen Missionen schon länger im Land sind beziehungsweise waren.

Die Verteidigungsministerin sieht auf Deutschland eine neue Rolle zukommen, die der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck und der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schon 2014 bei der Münchner Sicherheitskonferenz beschrieben hatten. Deutschland sei zu groß und zu bedeutend, um Weltpolitik nur von der Seitenlinie zu kommentieren, hatte Steinmeier gesagt.

Jetzt nimmt Lambrecht das Wort „Führungsmacht“ in den Mund. Es sei schon heute so, „dass Deutschland selbst dann de facto führt, wenn es das gar nicht will“. Schlussfolgerung: „Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz: sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht. Auch im Militärischen.“ Wer noch Zweifel haben sollte, dem gibt die SPD-Politikerin mit in den Tag: „Deutschland kann das.“ Eine kleine Anleihe beim „Wir schaffen das“ der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Deutschland brauche auch keine Angst vor dieser neuen Rolle zu haben. Auch wenn die Europäer die USA künftig stärker entlasten müssten, garantiere die Nato-Führungsmacht USA weiterhin die Sicherheit Europas.

 Sieht für Deutschland eine Rolle als „Führungsmacht“: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD)

Sieht für Deutschland eine Rolle als „Führungsmacht“: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD)

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Lambrecht wirbt für Umdenken, Umbau und einen umfassenden Sicherheitsbegriff. Also ran an die Arbeit. Ihr zweiter Name sei übrigens „Ungeduld“, betont die Ministerin noch. Es soll also schneller gehen mit dem Umbau der Truppe und der Abkehr von behäbigen Strukturen. Wenn diese Legislaturperiode vorbei sei, will Lambrecht eines geschafft haben: Alle Hemmnisse, die bislang die „Kaltstartfähigkeit“ der Bundeswehr behinderten, sollen dann abgebaut sein. Ein dickes Brett: Denn dazu muss Lambrecht auch den Dschungel des Beschaffungswesens lichten. Viel Arbeit für Christine „Ungeduld“ Lambrecht.

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