Der Parteitag der Linken Lafontaines Lager setzt sich durch

Göttingen · Die ostdeutschen Landesverbände mussten beim Parteitag der Linken in Göttingen eine Niederlage einstecken. Bernd Riexinger und Katja Kipping setzten sich in einer Kampfabstimmung als neue Parteichefs durch. Damit behält das Lafontaine-Lager die Oberhand in der Partei.

Die Paukenschläge des Oskar Lafontaine
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Foto: dapd, Torsten Silz

Göttingen Fassungslos steht ein ostdeutscher Parteitagsbesucher in der Lokalhalle in Göttingen. "Das ist nicht mehr meine Partei", sagt er und läuft aus dem Saal. Am Mikrofon entschuldigt sich gerade eine Delegierte aus Baden-Württemberg kleinlaut, dass die radikalen Genossen aus dem Westen am Vorabend nach der Wahl von Bernd Riexinger zum Parteichef die Internationale angestimmt haben.

Bei den Ostdeutschen löste das Triumphgeheul der Westlinken Wut und Entsetzen aus. "Wir haben uns halt gefreut", relativiert die junge Genossin. "Ihr habt es immer noch nicht kapiert", entgegnet ein Thüringer.

Die Wahl der neuen Parteichefs gerät beim Parteitag der Linken in Göttingen zur Schlammschlacht. In zwei Kampfabstimmungen setzen sich die ostdeutsche Katja Kipping und der westdeutsche Gewerkschafter Bernd Riexinger durch. Kipping erreicht bei einer Gegenkandidatin 67 Prozent der Stimmen. Für Riexinger stimmen 53 Prozent. Sein schärfster Konkurrent, der ostdeutsche Pragmatiker Dietmar Bartsch, bekommt 45 Prozent. Während der 56-jährige Riexinger zum Lafontaine-Lager zählt, repräsentiert Katja Kipping nicht den realpolitischen ostdeutschen Flügel. Inhaltlich steht sie weiter links. Das erklärt die Enttäuschung der Ostdeutschen.

Gysi: "Pathologische Zustände"

Nach seiner Wahl setzt Riexinger zumindest ein Zeichen der Versöhnung und verspricht, zuerst mit denen zu reden, die ihn nicht gewählt haben. Offen ist, wie die neuen Chefs zusammenarbeiten. Denn die beiden müssen sich erst kennenlernen.

Wie tief der Graben zwischen den Flügeln ist, zeigen die Auftritte von Fraktionschef Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. In einer schonungslosen Rede macht Gysi den dramatischen Zustand der Partei öffentlich. In der Fraktion herrsche "auch Hass". Das seien "pathologische Zustände". Er bringt sogar eine Spaltung der Partei ins Spiel. Für den Fall, dass es nicht gelinge, bei diesem Parteitag eine "kooperative Führung" zu wählen, wäre es besser "sich zu trennen, als eine verkorkste Ehe zu führen", erklärt Gysi.

Über Jahre hat Gysi dem launischen Parteigründer Lafontaine die Stange gehalten. Nun wendet er sich von ihm ab und verteidigt die Leistungen der ostdeutschen Volkspartei gegenüber der West-Kritik, man biedere sich der SPD an. Lafontaine, der auf Gysi antwortet, redet nicht, nein, er brüllt — mit hochrotem Kopf verbittet er sich Gerede von einer Spaltung.

Während sich die Gründerväter der Linkspartei ihr donnerndes Rededuell liefern, schieben die Strategen im Saal die Personaltableaus hin und her. Bereits am Nachmittag sickert durch, dass die NRW-Chefin Katharina Schwabedissen, die ursprünglich mit Katja Kipping als Frauen-Duo die Partei führen wollte, ihre Kandidatur zurückziehen wird.

Seitdem hält sich hartnäckig das Gerücht, dass nun doch Sahra Wagenknecht, Linksausleger der Partei und Lebensgefährtin von Lafontaine, ihren Hut in den Ring wirft. "Wenn die kommt, holen wir den Gysi", ereifern sich wiederum die Ostdeutschen. Noch Minuten, bevor der zweite Wahlgang startet, stehen die Grüppchen Ost und West getrennt voneinander und beraten.

Im Lager der Westlinken liegen die Nerven blank. Mit dem Appell "Bitte lasst uns diese verdammte Ost/West-Verteilung auflösen" hat Kipping aus Sicht des Lafontaine-Lagers zur Wahl von Dietmar Bartsch aufgerufen. Lafontaines wichtigstes Ziel beim Parteitag ist aber, Bartsch zu verhindern.

Also bittet Wagenknecht vor der Wahl darum, eine persönliche Erklärung abgeben zu dürfen. Sie sagt, sie werde nicht kandidieren. "Ich möchte die Polarisierung nicht auf die Spitze treiben, weil ich glaube, dass das unserer Partei nicht gut tut." Den kurzen Einwurf nutzt sie zugleich dazu, von einer Wahl des von ihr und dem restlichen Lafontaine-Lager verachteten Bartsch abzuraten. Dies wiederum empört die Ostdeutschen.

Ein wenig versöhnt zeigen sie sich nach den Wahlen der Stellvertreter und des geschäftsführenden Vorstands, bei denen auch Ostdeutsche zum Zuge kommen. Der thüringische Landtagsfraktionschef Bodo Ramelow betont, die neue Doppelspitze habe die Fähigkeit, die Flügelkämpfe der Partei zu beenden.

Skeptischer äußert sich hingegen Fraktionschef Gregor Gysi über die neue Leitung, die fast nur aus neuen Leuten besteht. "Ich hoffe, dass das eine Leitung ist, die die Integrationsaufgabe erfüllt, die ein politisches Konzept erfüllt und die auch den Bundestagswahlkampf vorbereitet."

Internet Die beiden neuen Vorsitzenden Kipping und Riexinger im Einzel-Porträt unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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