Abstimmung im Bundesrat Länder blockieren vorerst Recht auf Ganztagsbetreuung

Berlin · Es ist ein Prestigeprojekt der großen Koalition: Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder sollte noch vor der Wahl beschlossen sein. Doch den Ländern ist das zu teuer, sie stoppen das Vorhaben vorerst. Nun müssen schnell Kompromisse gefunden werden.

 Schüler an einer Grundschule in Essen. (Archiv)

Schüler an einer Grundschule in Essen. (Archiv)

Foto: dpa/Marcel Kusch

Der von der Bundesregierung geplante Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ist am Veto mehrerer Bundesländer gescheitert. Elf Ministerpräsidenten stimmten am Freitag im Bundesrat dafür, den Vermittlungsausschuss anzurufen und Nachbesserungen im Gesetz zu verhandeln. Im Kern geht es ihnen um eine höhere Kostenbeteiligung des Bundes.

Monatelang hatten Union und SPD in der großen Koalition um den von den Sozialdemokraten geforderten Rechtsanspruch gerungen. Nach der Einigung in der Regierung hatte der Bundestag grünes Licht gegeben. Geplant ist eigentlich, dass jedes Kind, das ab Sommer 2026 eingeschult wird, in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf einen Ganztagsplatz bekommt. Damit würde sich an den Betreuungsanspruch in der Kita, den es schon länger gibt, direkt ein Anspruch in der Schule anschließen.

Es wird davon ausgegangen, dass dafür bis zu eine Million zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen. Milliardeninvestitionen in Räume und Ausstattung sind nötig. Hinzu kommen geschätzte Personal- und Betriebskosten von bis zu 4,5 Milliarden Euro im Jahr. Der Bund will den Ländern nach bisherigen Plänen 3,5 Milliarden Euro für die Investitionen zur Verfügung stellen und sich langfristig mit knapp einer Milliarde Euro jährlich an den laufenden Betriebskosten beteiligen. Die Länder fordern allerdings, dass sich der Bund hälftig an den Betriebskosten beteiligt. Das wären gut zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Elf Länder, darunter Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und das Saarland stimmten dafür, den Vermittlungsausschuss anzurufen. NRW enthielt sich. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) legte ebenfalls das Veto ein. „Auch Niedersachsen hält einen Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule für ausgesprochen sinnvoll. Die Realisierung kann jedoch nur durch eine dauerhafte gemeinsame finanzielle Anstrengung von Bund und Ländern gelingen“, sagte Weil unserer Redaktion. „Der Bund muss seinen Beitrag deutlich erhöhen, das ist ein Ziel der Anrufung des Vermittlungsausschusses. Auch die flächendeckende Personalausstattung muss gemeinsam vorbereitet werden. Dieses Großprojekt können wir nur gemeinsam stemmen“, so Weil. Für Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist das Thema im Wahlkampf nun unbequem, er muss noch einmal nachverhandeln. Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) übte scharfe Kritik am Vorgehen der Länder. „Der Bund ist den Ländern finanziell weit entgegengekommen. Ich bedauere zutiefst, dass die Länder am Freitag dem Gesetz ihre Zustimmung verweigert und den Vermittlungsausschuss angerufen haben“, sagte Lambrecht. 

„Es ist jetzt unsere gemeinsame Verantwortung, dort schnell eine Lösung zu finden, damit das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann“, sagte Lambrecht. Die Familien in Deutschland bräuchten Klarheit und Verlässlichkeit in der Frage der Kinderbetreuung. „Die Corona-Pandemie hat uns noch einmal überdeutlich vor Augen geführt, wie wichtig eine gute und zuverlässige Betreuung für die Chancengleichheit aller Kinder und für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie der Eltern ist. Es darf nicht länger vom Glück, Wohnort oder Geldbeutel der Eltern abhängen, ob ein Kind ganztägig gefördert wird und die Eltern sich auf die Betreuung verlassen können“, sagte Lambrecht.

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