London Labour holt gegen Theresa May auf

London · Die Konservativen wollen im Wahlkampf mit dem Brexit punkten.

Für seinen bissigen Interviewstil ist er berühmt: Jeremy Paxman, Urgestein des britischen Fernsehens, Spitzname: der Rottweiler. "Wenn ich in Brüssel sitzen und Sie als die Person sehen würde, mit der ich verhandeln müsste", ätzte Paxman, "würde ich denken: Sie ist eine Aufschneiderin, die beim ersten Kanonendonner kollabiert." Autsch, das saß. Theresa May musste erst einmal schlucken.

Denn so konsequent, wie sie sich gerne gibt, ist die britische Premierministerin gar nicht. Einen "U-Turn" hat Theresa May schon des Öfteren hingelegt. Früher war sie für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union, heute streitet sie für einen harten Brexit. Sechs Mal hat sie verlauten lassen, dass sie keine vorgezogenen Neuwahlen anstrebt, jetzt gehen die Briten doch am 8. Juni zu den Wahlurnen.

Sah es zu Beginn des Wahlkampfs noch so aus, als sei der Sieg der Konservativen nur eine Formsache, so hat sich die Lage gedreht. Die Konservativen liegen zwar immer noch vorn, aber statt mit satten 20 Prozentpunkten führen sie in der letzten Umfrage nur noch mit sechs Punkten Abstand. Labour liegt bei 37 Prozent, während die kleineren Parteien bluten. Jetzt, wo der Wahlkampf spannend wird, hatte der Sender Sky News Theresa May, die Vorsitzende der Konservativen Partei, sowie Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn eingeladen. Dabei war das Fernseh-Duell keine klassische Debatte. Anstatt gegeneinander traten die Kontrahenten nacheinander an: Zuerst stellte sich Jeremy Corbyn den Fragen des Studiopublikums und anschließend denen des Rottweilers Paxman. Danach war die Premierministerin dran. Nach dem Terroranschlag von Manchester war natürlich die Sicherheit eines der großen Themen. Theresa May musste sich von einem Polizisten im Publikum vorhalten lassen, für den "verheerenden" Personalabbau bei den Sicherheitskräften verantwortlich zu sein, als sie noch Innenministerin war. Jeremy Corbyn hatte unangenehme Fragen zu seiner Nähe zu terroristischen Vereinigungen wie der nordirischen IRA oder der palästinensischen Hamas zu beantworten. Insgesamt war es ein Thema, bei dem May punkten konnte: Die Briten würden ihre nationale Sicherheit lieber in der Obhut von May als in den Händen des Linksauslegers Corbyn sehen.

Dabei hatte der Labour-Chef alles in allem einen guten Abend, vielleicht auch deswegen, weil die Erwartungen an ihn zuvor so niedrig waren. Überraschend souverän konnte der 68-Jährige die Angriffe von Paxman abwehren, und auch sein Meinungsaustausch mit dem Studiopublikum vermied mögliche Klippen. Er wirkte gelassen, bedächtig und humorvoll. Der Trend ist klar: Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Konservativen und Labour werden.

(RP)
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