Washington Küsschen, Handschlag, miese Stimmung

Washington · Die Kanzlerin ist überzeugte Transatlantikerin. Mit Donald Trump kommt sie trotzdem nicht klar: zu unberechenbar. Sogar bei den Gesten.

Die Kanzlerin liebt die USA. Mit Donald Trump kommt sie trotzdem nicht klar: zu unberechenbar. Sogar bei den Gesten.

Es gibt ein einzelnes Wort, das für Angela Merkel und Donald Trump ganz unabhängig vom Ausgang zum Symbol geworden ist: Handschlag. Bei ihrem ersten Treffen im Oval Office im vorigen Jahr hatte der US-Präsident der Kanzlerin nicht die Hand gereicht. Weder physisch noch politisch. Gestern, bei Merkels zweitem Besuch im Oval Office, kommt es zu diesem Händedruck. Und auch bei der späteren Pressekonferenz schüttelt Trump Merkel die Hand. Physisch, nicht politisch.

Trump sagt aber, Merkel und er hätten ein großartiges Verhältnis, und zwar seit Anfang an. Manche hätten das nicht verstanden, aber sie beide hätten es verstanden. Zur Begrüßung am Weißen Haus empfängt er - womöglich noch unter dem Eindruck des Staatsbesuches von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron - Merkel sogar mit Küsschen links und Küsschen rechts. Merkel sei eine außergewöhnliche Frau, sagt er. Diese nimmt es einigermaßen regungslos zur Kenntnis.

Sie will den Antrittsbesuch nach ihrer vierten Wahl zur Kanzlerin schnell hinter sich bringen. Trump auch. Knapp drei Stunden müssen reichen. Wenig Zeit für heikle Themen. Der mögliche weltweite Handelskrieg, ausgelöst durch US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium, Trumps Drohung mit einem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran, die Erwartung an zusätzliche Milliarden Euro für die deutsche Verteidigungspolitik, Trumps Kritik an der geplanten Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland unter Wegfall der Ukraine als Transitland. Trump stört aber vor allem, dass Deutschland solch große Gas-Geschäfte mit Russland macht. Er möchte lieber Gas aus dem großen Reservoir der USA exportieren. Amerika zuerst. Explosive Gemengelage.

In der Pressekonferenz versichern sie sich dann der deutsch-amerikanischen Freundschaft. Merkel äußert viel Verständnis für den Präsidenten und seine ökonomischen Argumente. Sie würdigt auch seine Nordkorea-Politik. Die Kanzlerin ist offensichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Erfahren hat sie aber nicht, ob die Ausnahmen für die EU von den neuen US-Zöllen auch über die Frist 1. Mai gelten werden.

Kanzlerin telefonierte vor ihrem Besuch mit Macron über das gemeinsame Vorgehen. Macron war kurz vor ihr da - drei ganze Tage. Aber außer prägnanten Bildern hat das Treffen nicht viel Neues bewirkt. Während die beiden Männer fürstlich dinierten, ging Merkel nach der Landung erst einmal in einen Burger-Laden. Cheeseburger-Burger unter 15 Dollar. Auch ein Statement. Brasilianische Touristinnen erkennen die deutsche Regierungschefin und kreischen "Oh mein Gott".

Merkel war nach ihrer Wiederwahl zur Regierungschefin schon zu den EU-Partnern Frankreich und Polen gereist. Bevor sie sich im Sommer gen Osten nach China und Russland aufmacht, wollte sie erst nach Westen. Dorthin, wo einst ihr Sehnsuchtsland lag. Seit Trump US-Präsident ist, hat sich das deutsch-amerikanische Verhältnis aber drastisch verschlechtert. Vor knapp einem Jahr hatte Merkel nach dem enttäuschenden G7-Gipfel in einem Bierzelt gesagt: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt." Sie meinte die USA.

Ihre Bierzelt-Rede schlug mit Wucht in Amerika ein. Merkel verweigerte "ihrer" USA die frühere Gefolgschaft. Die überzeugte Transatlantikerin vermittelte den Eindruck, dass sie Washington den Führungsanspruch in der Welt nicht mehr zutraue, weil Kompromissbereitschaft, Interessenausgleich und Souveränität fehlen. Sie mahnte: "Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen."

Das hat die EU allerdings bis heute nicht getan. Schuld daran ist auch die lange Regierungsbildung in Deutschland und der ebenso lange Stillstand bei den von Frankreichs jungem Präsidenten Macron geforderten Reformen in Europa. Wer genau soll denn das Schicksal Europas in die Hand nehmen und wie? In Washington kocht Merkel das Thema wieder ein bisschen runter. Es sei doch ganz natürlich, dass sich Europa langsam unabhängiger machen müsse.

Merkel will das multilaterale System verteidigen. Trump will möglichst alles aufkündigen, was Obama eingeleitet hat. Trump kann Merkel schon deshalb nicht so gut leiden, weil sie sich eben mit Obama so gut verstanden hat. Sie ist Teil eines alten, bei Trump verhassten Systems. Macron ist neu auf der Weltbühne und hat es schon deshalb leichter bei Trump als sie.

Merkel hat mal nachgelesen, was Trump früher so gesagt hat. Sie hat ein Interview im Playboy 1990 gefunden: "Unser Land braucht ein größeres Ego, weil unsere sogenannten Alliierten uns schwer betrügen", sagte er damals. Auf die Frage nach seiner ersten Amtshandlung, wenn er einmal US-Präsident wäre, antwortete er: "Ich würde eine Steuer auf jeden Mercedes-Benz erheben, der in dieses Land rollt." 1990. Im Jahr 2018 ist der Handelsstreit mit Deutschland und der Europäischen Union da.

(kd)
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