Ministerin will BSE-Programm schnell durchsetzen Künast kündigt zwei Lebensmittel-Prüfzeichen an

Berlin (dpa). Die neue Ministerin für Verbraucherschutz und Landwirtschaft, Renate Künast (Grüne), will in den kommenden Tagen erste Punkte ihres BSE-Programms durchsetzen. Auf der Grünen Woche in Berlin, der weltgrößten Agrarschau, kündigte Künast am Freitag an, zwei Lebensmittel-Prüfzeichen einführen zu wollen.

Angesichts möglicher Konflikte mit der Agrarwirtschaft betonte sie, es gebe keinen Streit mit dem Bauernpräsidenten Gerd Sonnleitner. Sonnleitner begleitete die Ministerin gemeinsam mit Berlins Regierendem Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) auf dem traditionellen Eröffnungsrundgang.

Sonnleitner sicherte erneut die Kooperation der Bauern bei der Bekämpfung der Rinderseuche zu. Gut 20 000 Besucher kamen nach Schätzungen der Messe Berlin am ersten Tag, an dem die Grüne Woche seit dem Mittag für das breite Publikum geöffnet war.

Künast sagte, „erste Entscheidungen“ zum BSE-Sofortprogramm würden bereits am Mittwoch im Kabinett getroffen. Ein Konzept für den Umbau der Landwirtschaft soll später erarbeitet werden. „Ich möchte eine Verbraucherpolitik haben, die Vorsorge betreibt und nicht erst eingreift, wenn Tiere krank werden.“

Insgesamt rechnen die Veranstalter mit rund einer halben Million Besucher. 1 570 Aussteller der Agrar- und Ernährungsindustrie zeigen bis zum 28. Januar ihr Angebot. Die Aussteller kommen aus 59 Ländern. Attraktion vieler Länderständen sind die Lebensmittel-Spezialitäten.

Künast will zwei Lebensmittel-Siegel einführen: ein Ökoland-Siegel und eines für Mindeststandards in der konventionellen Landwirtschaft. Bio- und Verbraucherverbände forderten, das Öko-Siegel mit dem bestehenden bundesweiten Zeichen zu verbinden, um den Markt nicht noch unübersichtlicher zu machen. Die Öko-Prüfzeichen GmbH bietet seit Anfang 2000 ein nationales Dachzeichen für Öko-Lebensmittel an, unter dem derzeit rund 1 000 Produkte angeboten werden. Die Verbreitung gerade in den Supermärkten steht aber noch am Anfang.

Ein weiteres, selbst ein staatliches Zeichen, sei jedoch kontraproduktiv, sagte Geschäftsführer Fred Hoffmann. „Viel wichtiger ist es, das vorhandene Öko-Prüfzeichen zu unterstützen. Der politische Rückenwind hat lange gefehlt.“ Dem stimmten Verbraucherschützer zu. Im Landwirtschaftsministerium hieß es, ob und wie das neue Ökozeichen mit dem bereits bestehenden verzahnt werden solle, sei noch nicht entschieden.

Die Gesellschafter der Öko-Prüfzeichen GmbH, die Arbeits- Gemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL) und die Centrale Marketing- Gesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft (CMA), betonten, für ein Gespräch mit der Ministerin zur Verfügung zu stehen. Wichtig sei ein gemeinsames Vorgehen bei der Zeichenpolitik, sagte Michael Vogt von der CMA. Denkbar sei zum Beispiel ein privates Prüfzeichen, dass staatlich legitimiert sei. Der AGÖL gehören die großen Öko-Verbände wie Demeter, Bioland oder Gäa an, die wiederum eigene Zeichen haben. Außerdem existieren im Siegel-Dschungel noch regionale Gütezeichen sowie Zeichen ausländischer Anbauverbände.

Der Verband der Fleischwirtschaft (VDF) hofft ebenfalls auf ein Prüfsiegelkonzept, um aus der durch den BSE-Ausbruch ausgelösten Krise zu kommen. Bei einer länger anhaltenden Konsumeinschränkung von Rindfleisch müsse von einem Verlust von mehr als 10 000 der rund 75 000 Stellen ausgegangen werden, sagte Verbandschef Manfred Härtl. Derzeit betrage der Absatzrückgang 40 Prozent. Bis das neue Prüfsiegel nach Qualitätskriterien der CMA wieder Vertrauen schaffe, seien die Betriebe auf Überbrückungshilfen der Bundesregierung angewiesen. Durch die Skandale um die Deklaration von Wurstwaren leide mittlerweile auch der Markt für Schweinefleisch.

Erster BSE-Verdachtsfall in Sachsen

Sachsen hat seinen ersten BSE-Verdachtsfall. Wie ein Sprecher des Sozialministeriums am Freitag in Dresden mitteilte, ist bei einer Kuh aus dem Leipziger Umland nach dem Schlachten in Jena bei einem Test die Rinderseuche festgestellt worden. Das Veterinäruntersuchungsamt schickte die Proben zum Gegentest an die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen. Zurzeit sei der Amtstierarzt auf dem Wege zu dem betroffenen Bauern, um den gesamten Tierbestand zu sperren, sagte der Sprecher.

Bundesweit sind inzwischen 16 BSE-Fälle bestätigt. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wurden bis zum 15. Januar 112 281 BSE-Tests vorgenommen. Je ein BSE-Verdachtsfall aus dem baden- württembergischen Kreis Ravensburg und dem Saarland bestätigte sich nicht. In Baden-Württemberg wurde am Freitag aber ein neuer BSE- Verdachtsfall im Kreis Reutlingen bekannt. Seit Donnerstagabend steht auch ein Rind aus Oberbayern unter BSE-Verdacht.

Wegen der BSE-Krise müssen immer mehr Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz fürchten. In Bayern stellte die Fleischwaren Braun GmbH in Schwabach Insolvenzantrag. In Berlin hatte bereits die Fleisch- und Wurstwarenfabrik Könecke die Schließung bekannt gegeben. Die Lebensmittelwirtschaft protestierte unterdessen gegen den Beschluss von acht Bundesländern, von diesem Montag an die Hersteller von fälschlich als rindfleischfrei etikettierten Wurstwaren zu nennen.

Zahl der bekannten BSE-Fälle in Spanien auf sieben gestiegen

Das spanische Landwirtschaftsministerium hat am Freitag zwei weitere BSE-Fälle im Land bestätigt. Tests bei zwei geschlachteten Kühen von verschiedenen Höfen in der Region Asturien seien positiv ausgefallen, erklärte das Ministerium in Madrid. Bei zwei weiteren getöteten Rindern besteht der Verdacht auf eine BSE-Infektion. Ein endgültiges Testergebnis steht bei ihnen noch aus. Die Zahl der bestätigten BSE-Fälle in Spanien stieg damit auf insgesamt sieben. Der erste Fall trat im November auf.

(RPO Archiv)
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