Havanna Kubas Dissidenten fühlen sich vom Papst alleingelassen

Havanna · Beim Besuch des Kirchenoberhaupts auf der Karibikinsel kommt es nicht zum erhofften Treffen mit den Opfern des Regimes.

Es sind Bilder, wie sie jede Regierung dieser Welt liebt: 100.000 Menschen jubeln dem Heiligen Vater auf dem Weg vom Flughafen José Marti in die 18 Kilometer entfernte Apostolische Nuntiatur zu. Auch am Sonntagmorgen sind Hunderttausende ins Zentrum der kubanischen Hauptstadt geströmt. Die Kameras fangen Frei Betto ein, einen linken Befreiungstheologen aus Brasilien, der in der ersten Reihe sitzt und noch tags zuvor die kubanische Revolution gefeiert hat. Die habe stets im Einklang mit den Werten des Evangeliums und der Menschlichkeit gestanden. Auch für Cristina Kirchner, die linkspopulistische Präsidentin aus Argentinien, der Heimat des Papstes, ist ein Platz ganz vorne reserviert. Nur für eine Gruppe ist bei diesen Gelegenheiten kein Platz: Regimekritiker sind nicht eingeladen zum historischen Besuch von Papst Franziskus auf Kuba.

Die Oppositionellen sind zutiefst frustriert. Es verbreiten sich Meldungen, dass es rund um den Papstbesuch Verhaftungen gegeben habe. Zumindest aber soll ein Teil der Dissidenten an der Anreise zur Papstmesse gehindert worden sein. Überprüfen lassen sich diese Informationen nicht. Vertreter der Opposition hatten ein Treffen mit Franziskus herbeigesehnt, weil es sie innenpolitisch aufgewertet hätte. Und wohl auch, weil ein Kontakt mit dem Kirchenoberhaupt sie möglicherweise vor künftigen Attacken des Polizeistaates bewahren würde.

In Miami demonstrieren unterdessen die Hardliner unter den Exilkubanern und werfen dem Papst sowie Havannas Erzbischof Jaime Ortega ganz offen Verrat vor. Sie hätten sich an die kubanische Regierung verkauft. Antonio Rodiles, Gründer des oppositionellen Forums "Estado de SATS", zeigte sich angesichts des visuellen Schulterschlusses von Franziskus mit den kommunistischen Machthabern entsetzt: "Das ist skandalös und traurig", kommentiert Rodiles.

Eine diplomatische Gratwanderung des Papstes war im Vorfeld der Reise erwartet worden. Fidel und Raúl Castro sehen in Franziskus nicht nur einen Vermittler im Kampf gegen das in Lateinamerika weithin als skandalös empfundene US-Embargo, sondern auch einen Verbündeten gegen den Kapitalismus. Staatspräsident Raúl Castro machte in seiner Begrüßungsrede Washington prompt schwere Vorwürfe: "Grausam, ungerecht und illegal" sei die Blockade.

(RP)
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