Parteien werfen CSU-Chef Rückständigkeit vor Kritik an Stoiber wegen Reiche

Berlin (rpo). Geballte Kritik aus allen Bundestagsparteien schlägt Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber wegen der Handhabung des Falles der CDU-Politikerin Katherina Reiche entgegen.

Spitzenpolitiker von SPD, Grünen, FDP und PDS werfen ihm einem Bericht der "Welt" (Dienstagausgabe) zufolge Rückständigkeit und Durchsetzungsschwäche vor. Anlass ist die geplante Beschränkung von Reiches Kompetenzen in Stoibers Wahlmannschaft. Sie soll nach unionsinterner Kritik nicht mehr für Familienpolitik zuständig sein.

Die 28-jährige CDU-Politikerin aus Brandenburg, deren Berufung in Stoibers so genanntes Kompetenzteam für Mittwoch erwartet wird, soll sich nur noch um Frauen- und Jugendpolitik kümmern. Ihr wurde öffentlich nicht nur ihre liberale Haltung zur Stammzellenforschung, sondern auch die Tatsache angekreidet, dass sie mit ihrem Lebensgefährten und Vater ihrer Kinder nicht verheiratet ist.

CDU-Chefin Angela Merkel wollte sich am Montag nicht "zu dem gesamten Themenkomplex Katharina Reiche" äußern. Für Stellungnahmen verwies sie auf die Pressekonferenz am Mittwoch.

Reiche sei daran gescheitert, dass ihr Privatleben "nicht dem Familienideal der Union" entspreche, kritisierte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt der "Welt" zufolge. "Das zeigt einmal mehr, dass die Union noch immer nicht in der Gegenwart angekommen ist, sondern den Menschen vorschreiben will, wie sie leben sollen."

Grünen-Vorsitzender Fritz Kuhn sagte, der Vorgang zeige, dass Stoiber den Osten nicht besonders ernst nehme und einen "klein karierten Familienbegriff" hochhalte. Der Kandidat sei "nicht Herr im eigenen Haus, wenn ihm der rechtskonservative Parteiflügel das Kompetenzteam zerpflücken kann".

"Der Streit um die forschungsfreundlichen Auffassungen und die privaten Lebensumstände" von Reiche offenbare viel vom Innenleben der Union, erklärte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper der Zeitung zufolge. "Sie ist und bleibt keine Heimstatt für Liberale, und sie steht der Lebenswirklichkeit gerade vieler junger Menschen in Ostdeutschland fremd gegenüber."

Mit der Durchsetzungskraft des Kandidaten Stoiber könne es nicht weit her sein, wenn er sich "von Ideologen ins Handwerk pfuschen lässt", sagte PDS-Chefin Gabi Zimmer der "Welt". Im Osten werde niemand verstehen, dass eine Mutter nur deshalb nicht für Familienpolitik zuständig sein solle, weil sie nicht verheiratet sei. "Besser oder vielmehr schlechter hätte Edmund Stoiber das stockkonservative Familienbild der Union nicht illustrieren können."

(RPO Archiv)
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