Stoiber: Regierungsbeteiligung der PDS ein "Treppenwitz" Kritik an Rot-Rot und PDS-Zugriff auf Wirtschaftsressort

Berlin (rpo). Union, FDP und ehemalige DDR-Bürgerrechtler haben harsche Kritik an der künftigen rot-roten Landesregierung in Berlin geübt. Einen "Treppenwitz der Geschichte" nannte CSU-Chef Edmund Stoiber die Regierungsbeteiligung der PDS am Dienstag. Die Entscheidung der SPD, das Wirtschaftsressort der PDS zu überlassen, erweckte bei den bürgerlichen Parteien besonderen Anstoß.

SPD und PDS hatten am Montagabend mit der Einigung auf die Präambel des Koalitionsvertrages und die Ressortverteilung ihre Verhandlungen abgeschlossen. Damit ist elf Jahre nach der Wiedervereinigung das erste rot-rote Bündnis in der Hauptstadt unter Dach und Fach. Der neue Senat soll am 17. Januar vom Parlament gewählt werden.

PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch brachte nach dem Erfolg in Berlin erneut eine baldige Zusammenarbeit mit der SPD auf Bundesebene ins Gespräch. Im Unterschied zu anderen Politikern der Partei sage er auch zu einer Regierungsbeteiligung der PDS nach der Bundestagswahl am 22. September "niemals nie", sagte Bartsch der "Lausitzer Rundschau" (Mittwoch).

Ohne den Kommunismus und die SED gäbe es die heutige "wirtschaftliche Misere" in den neuen Ländern nicht, kritisierte Stoiber am Rande der CSU-Klausur im oberbayerischen Wildbad Kreuth. "Wenn diejenigen heute sich an die Spitze stellen, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Berlin." CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sagte, ein von der PDS geführter Wirtschaftssenat in Berlin sei "eine schlimme Botschaft für Wirtschaft und Arbeitsmarkt" in Berlin.

FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper lehnte die neue SPD/PDS- Regierung in Berlin als "Versuchslabor für eine neue Machtoption" auf Bundesebene ab. Nach Ansicht des ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers und jetzigen Bundestagsabgeordneten Werner Schulz (Grüne) ist der rot- rote Senat kein Beitrag zur deutschen Einheit.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der PDS- Politiker Gregor Gysi werteten die Einigung als positiven Kompromiss für beide Seiten. Die SPD stellt künftig neben dem Regierungschef fünf der acht Senatoren. Dazu zählen die Schlüsselressorts Finanzen und Inneres sowie Bildung und Stadtentwicklung.

PDS-Verhandlungsführer Gregor Gysi konnte die Forderung nach vier Ressorts für seine Partei nicht durchsetzen. Die Linkssozialisten sind künftig für die drei Bereiche Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz verantwortlich. Als Kompromiss einigte sich Rot-Rot darauf, dass die SPD den Justizsenator nur im Einvernehmen mit der PDS benennt.

Die SPD hat als einzigen Namen bisher die wegen ihrer SED- Vergangenheit umstrittene brandenburgische Verfassungsrichterin Rosemarie Will für das Justizressort genannt. Als aussichtsreiche Kandidation für das Finanzressort kommt nach Information der "Welt" die ehemalige Hamburger Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD) in Frage.

Die PDS will ihre Personalentscheidungen voraussichtlich bei der Sitzung des Landesvorstandes am Mittwochabend fällen, die SPD erst am kommenden Dienstag. Der SPD-Landesvorstand beriet am Dienstag die Ergebnisse des Koalitionsvertrages. Am Abend wurde breite Zustimmung des Gremiums erwartet.

Gysi ist als Wirtschafts- oder Kultursenator im Gespräch. Er habe "Vorlieben", sagte Gysi, wolle sie aber nicht nennen. Die größte Herausforderung stelle das Wirtschaftsressort dar. Der PDS- Spitzenpolitiker kündigte erstmals eine Zusammenarbeit der Berliner PDS mit der Bundesregierung in Sachfragen an. Die PDS werde ihre Eigenständigkeit bewahren, strebe aber eine breite Übereinstimmung mit der Bundesregierung und den anderen Ländern an.

(RPO Archiv)
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