Kritik an Schiffsreisen Kreuzfahrt-Urlauber sind auch nur Touristen
Meinung | Düsseldorf · Riesige Luxusschiffe, die im Hafen bleiben müssen – diese Bilder liefern gerade eine willkommene Vorlage für Kritik an Leuten, die trotz Pandemie zur Kreuzfahrt aufbrechen. Gerechtfertigt ist das nur zum Teil.
Gegen Kreuzfahrten lässt sich viel vorbringen. Vor allem pusten die schwimmenden Amüsierbetriebe mit ihren fetten Dieselmotoren jede Menge Schadstoffe in die Luft. Laut Naturschutzbund stößt ein Kreuzfahrtschiff pro Tag so viel CO2 aus wie fast 84.000 Autos. Natürlich hängt das von Alter und Bauart der Schiffe ab und wer in kleineren Kabinen reist oder Ausgleich zahlt, kann den persönlichen Klima-Eintrag ein wenig verringern. Auch gibt es Bemühungen in der Branche, die Zukunft emissionsfreier zu gestalten durch alternative Antriebe und synthetische Kraftstoffe auf Basis von erneuerbarem Strom. Noch aber kommen Kreuzfahrten in der Ökobilanz schlecht weg.
Allerdings erklärt das kaum die Häme, die gerade auf Leute niedergeht, die sich trotz Pandemie zum Jahreswechsel zur Kreuzfahrt aufmachen wollten – und im Hafen bleiben mussten. Corona an Bord. Mal ist die Crew infiziert, mal sind es Passagiere nach dem Landgang. Natürlich sind Kreuzfahrtschiffe besonders gefährdet, weil dort viele Menschen auf engem Raum zusammen sind und jeder Landgang in Zeiten von Omikron und unsicheren Schnelltest-Ergebnissen einer Einladung zum Virenimport gleichkommt. Doch solche Risiken birgt das Reisen generell. Auf Kreuzfahrtschiffen wird immerhin getestet. Das Infektionsgeschehen, das genauso bei Städtereisen, Skifreizeiten, Familienbesuchen besteht, ist bei Kreuzfahrten nur für alle sichtbar.
Es stellt sich also die Frage, warum nicht mehr generell über das Reisen während der Omikronwelle diskutiert wird, sondern die Kreuzfahrttouristen am Pranger stehen. So wie in einer früheren Phase der Pandemie die Mallorca-Urlauber. Und davor die Ski-Touristen. Einerseits hat das rationale Gründe: Offensichtlich widersprechen Tourismusangebote, bei denen Leben und Feiern auf engem Raum zum Konzept gehören, allen bekannten Regeln gegen die Pandemie. Doch scheint es in Corona-Zeiten auch immer wieder das Bedürfnis zu geben, die Wut über all die Zumutungen im Alltag an Stellvertretern abzulassen. Und dann scheinen für die Salven von Frust besonders jene eine dankbares Ziel, die ohnehin zum touristischen Prekariat gehören: Ballermann-Besucher, All-inclusive-Kreuzfahrer, Skihütten-Partyvolk.
Die Omikronwelle hat Europa voll erfasst, auch in anderen Teilen der Welt explodieren die Infiziertenzahlen und damit steigt auch das Risiko für neue Varianten. Natürlich ist es nicht ratsam, in solchen Zeiten auf Reisen zu gehen. Und wenn doch, sich möglichst vorsichtig zu verhalten. Ist leider so. Und gilt für alle Tourismuszweige. Wie auch für Geschäftsreisen, die schon mal sorgsamer vermieden wurden. Doch Mobilität lässt sich nicht über Jahre herunterfahren. Darum versucht die Welt gerade, trotz all der Menschen, die glauben, unterwegs sein zu müssen, aus der Pandemie zu kommen. Das bleibt ein heikles Unterfangen – mit oder ohne Kreuzfahrten.