Kopenhagen Gewaltverbrecher und Judenhasser

Kopenhagen · Ein 22-Jähriger soll verantwortlich sein für den Terror in Kopenhagen. Medien beschreiben den Sohn palästinensischer Einwanderer als jähzornigen Extremisten, aber fleißigen Schüler. Er soll Kontakte zur IS-Terrormiliz gehabt haben.

Nach den Terroranschlägen in Dänemark am Wochenende werden mögliche Motive des Attentäters langsam klarer. Die Polizei hat bisher nur bestätigt, dass der Täter 22 Jahre alt war, in Dänemark geboren wurde und einige Vorstrafen hatte. Dänische Medien veröffentlichten nun weitere Details.

Der Attentäter war demnach Sohn palästinensischer Eltern. "Ich bin genauso schockiert wie der Rest der Welt. Ich habe es erst von der Polizei gehört, die mich anrief", sagte der Vater des mutmaßlichen Todesschützen der Zeitung "Jyllands-Posten". Der 22-Jährige heißt nach Recherchen des Fernsehens Omar Abdel Hamid el Hussein und war erst vor wenigen Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden.

Den Sicherheitsbehörden war er wegen verschiedener Straftaten wie Waffenbesitz, Gewaltexzessen und Bandenkriminalität bekannt. Im November 2013 hatte er einen Messerangriff auf einen 19-jährigen Mann in einer S-Bahn verübt und war dafür im Dezember zu zwei Jahren Haft verurteilt worden; wegen der langen Untersuchungshaft sei er allerdings schnell wieder auf freien Fuß gekommen. Er sei in Kopenhagen aufgewachsen, habe frühzeitig Kontakt zum Bandenmilieu gehabt und den Umgang mit Waffen erlernt, hieß es in Medienberichten.

Der Täter erschoss am Samstag und in der Nacht zu Sonntag zwei Menschen: den dänischen Filmemacher Finn Nørgaard (56) auf einer Konferenz über Meinungsfreiheit und einen 37 Jahre alten jüdischen Wachmann vor einer Synagoge. Am frühen Sonntagmorgen wurde der Angreifer bei einem Schusswechsel mit der Polizei getötet.

Personen, die ihn kannten, beschreiben ihn in der Zeitung "Politiken" als unbeherrschten Menschen, der immer wieder in Streitigkeiten geriet. "Er liebte es, über den Islam zu diskutieren, vor allem über den Palästina-Konflikt. Er scheute sich nicht, offen zu bekennen, dass er Juden hasste", sagte ein Bekannter. Seine Eltern seien einst aus Palästina nach Dänemark geflohen. El Hussein habe Palästina als zweite Heimat betrachtet und sich sehr für die Palästinenser engagiert.

El Hussein ist offenbar in Mjølnerparken, einem Stadtgebiet mit reger Bandenkriminalität, groß geworden. "Die Kleine-Brüder-Generation, die dort aufwächst, ist oft härter als ihre großen Brüder", sagte der Sozialarbeiter Aydin Soei. Vor seinem Gefängnisaufenthalt habe er eher wie ein Gewaltverbrecher als wie ein religiöser Extremist gewirkt, betonte der Journalist Jesper Larsen, der über die damalige Messerstecherei berichtete. "Er wirkte nicht religiös beeinflusst, eher im Gegenteil. Eher wie ein abgestumpfter Krimineller", sagte Larsen.

Der junge Mann könnte im Gefängnis religiös radikalisiert worden sein. Dort sei er den Behörden aufgefallen, weil er 39 Mal extremistische Einstellungen geäußert habe, meldete die dänische Nachrichtenagentur Ritzau. Ein Schulfreund sagte: "Ich wusste, dass er gläubig war, aber nicht, dass er so gläubig war. Er konnte muslimische Mädchen in der Klasse kritisieren, wenn sie etwas taten, was nicht zur Religion passte. Etwa wenn sie Alkohol tranken." Der Rektor des Instituts für Erwachsenenbildung, das el Hussein besuchte, beschrieb ihn unterdessen als "sehr fleißigen und begabten Schüler, der sich rein fachlich gut geschlagen hat".

Nach Angaben der Zeitung "Berlingske" wollte er sich sogar in Syrien der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) anschließen. Nun werde untersucht, ob der Mann auch nach Syrien oder in den Irak gereist sei. Der Chef des dänischen Geheimdiensts PET, Jens Madsen, sagte, der Attentäter sei möglicherweise vom Anschlag auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" in Paris beeinflusst gewesen - offenbar wollte el Hussein den schwedischen Mohammed-Karikaturisten Lars Vilks töten, der an der Konferenz teilnahm.

Der Angriff auf die Synagoge hat derweil zu einer Debatte über die Sicherheit der Juden in Europa geführt. Ausgelöst hat sie Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit der Aufforderung an die europäischen Juden, angesichts der Anschläge in Paris und Kopenhagen auszuwandern. "Israel erwartet euch mit offenen Armen", sagte Netanjahu und kündigte ein millionenschweres Sonderprogramm zur Aufnahme von Einwanderern an.

Das stieß auf heftigen Widerspruch. "Wir haben keine Angst", sagte Dänemarks Chefrabbiner Jair Melchior dem israelischen Rundfunk. Juden könnten auswandern, weil sie den jüdischen Staat liebten, "aber nicht, weil sie Angst haben, in Dänemark zu leben. Dies sind keine Nazis. Dies sind keine Pogrome. Dies sind bösartige Terroristen." Auch Frankreichs Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprachen Netanjahu. Merkel verband ihre Kritik mit dem Versprechen, die Bundesregierung werde alles dafür tun, die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und Bürger zu gewährleisten.

(RP)
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