30-Prozent Quote ab 2016 Kommt jetzt das Kartell der Frauen?

Berlin · SPD und Union wollen für die Aufsichtsräte großer börsennotierter Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent ab 2016 vorschreiben. Die Wirtschaft reagiert mit Protest. Dabei bleibt Deutschland unter der EU-Vorgabe.

Frauenquote in Chefetagen - So weit hinkt Deutschland hinterher
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Foto: dpa

In der Koalitions-Arbeitsgruppe "Familie und Frauen" sind unter 17 Mitgliedern nur drei Männer. Das heißt, die Männerquote dort liegt bei gerade einmal 18 Prozent. Auch die Chefs sind weiblich. Mit ihrer satten 80-Prozent-Mehrheit haben die Unterhändlerinnen von Union und SPD nun eine gesetzliche Frauenquote für die Wirtschaft beschlossen.

Börsennotierte Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern sollen ab 2016 ihre Aufsichtsräte mit mindestens 30 Prozent Frauen besetzt haben. Davon sind in Deutschland rund 500 Unternehmen betroffen. Wer die 30-Prozent-Quote nicht erfüllt, darf einen frei werdenden Posten im Aufsichtsrat nicht wieder vergeben. Je nachdem, ob der frei gewordene Posten von Arbeitgeber- oder Arbeitnehmer-Seite nachbesetzt werden muss, verschiebt eine solche Sanktion die Gewichte in einem Aufsichtsrat und erhöht den Druck auf die Suche nach einer Frau deutlich.

Die rund 2200 Unternehmen hierzulande, die einer gesetzlichen Mitbestimmung unterliegen, und die rund 1100 börsennotierten Unternehmen sollen darüber hinaus ab 2015 eine flexible Quote erhalten. Für ihre Vorstände, Aufsichtsräte und oberen Management-Ebenen sollen sie sich selbst Zielvorgaben für den Frauenanteil machen, hinter den sie nicht wieder zurückgehen dürfen.

Die betroffenen Unternehmen sind noch viele Aufsichtsratsposten von den künftigen gesetzlichen Vorgaben entfernt. Allerdings haben die Unternehmen seit Anfang des Jahres eine beachtliche Dynamik entwickelt. Nach einer Analyse der Unternehmensberatungsfirma Kienbaum sind inzwischen 124 Aufsichtsratsmandate der Anteilseignerseite in deutschen Dax-Konzernen mit Frauen besetzt. Das seien 23 Mandate mehr als noch im Januar dieses Jahres. Damit sei der Frauenanteil über alle Indizes binnen eines halben Jahres von zehn auf 13 Prozent gestiegen.

In Norwegen, wo bereits vor knapp zehn Jahren eine Quote von 40 Prozent für Aufsichtsräte beschlossen wurde, sind die Erfahrungen gemischt. Da nicht mit einem Fingerschnippen für alle Aufsichtsratsposten, die an Frauen gehen sollten, genug qualifizierte und erfahrene weibliche Führungskräfte verfügbar waren, bekamen die wenigen Frauen gleich mehrere Pöstchen. Diese mächtige Clique von Frauen, die teils zehn und mehr Aufsichtsratssitze inne- hatten, wurden die "Goldröcke" genannt.

Bislang zeichnet sich in Deutschland ein solcher Trend nicht ab. Der Kienbaum-Analyse zufolge besetzen nur zehn Frauen zwei Aufsichtsratsposten, und drei Frauen haben jeweils drei der Top-Posten inne. "Von einem Girls-Network kann also keine Rede sein", sagt Anke Hoffmann, Geschäftsführerin der Personalberatung Kienbaum.

In der Wirtschaft war der Aufschrei gestern ähnlich groß wie in Norwegen vor etwa zehn Jahren. Vor allem Unternehmen mit einem sehr hohen Anteil an Ingenieuren klagen über einen allgemeinen Frauenmangel, der ihnen die Besetzung von Spitzenposten erschwert.

"Wir wollen nicht nur mehr Frauen in unserer Industrie, wir brauchen sie. Und zwar auf allen Ebenen", sagt Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger. "Aber in unserer Branche beispielsweise ist eine technische Ausrichtung entscheidend." Der Frauenanteil unter den Ingenieurabsolventen aller Fachrichtungen liege bei rund 20 Prozent, bei den Ausbildungsberufen liege der erste Metall-und-Elektro-Beruf bei Frauen auf Platz 50. Dulger beklagt, eine "verbindliche Quote" bei den Aufsichtsräten werde den Betrieben, die dringend mehr Frauen für die technischen Berufe suchten, "wenig helfen".

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt das Vorhaben einer künftigen großen Koalition ab, wie Holger Lösch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, betont. "Eine Einheitsquote ignoriert branchen- und unternehmensspezifische Besonderheiten", sagt Lösch. Er verwies auch auf die Dynamik, die große Konzerne mittlerweile bei der Besetzung von Top-Stellen mit Frauen entwickelt haben. "In den vergangenen drei Jahren waren im Dax durchschnittlich rund 40 Prozent der neu gewählten Aufsichtsräte weiblich."

Die Befürworterinnen einer gesetzlichen Quote führen die verstärkte Neubesetzung von Aufsichtsratsmandaten mit Frauen auf die öffentliche Debatte um die Quote zurück. Insbesondere die Frauen bei Union und SPD dringen seit Jahren auf eine gesetzliche Regelung. Der nun ausgehandelte Kompromiss ist ein Mix aus dem, was beide Parteien in ihren Wahlprogrammen versprochen hatten. Mit der 30-Prozent-Quote bleibt Deutschland allerdings immer noch hinter der EU-Forderung von 40 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände zurück.

"Ich bin froh, dass mit einer gesetzlichen Frauenquote die 90-Prozent-Männer-Quote in Aufsichtsräten endlich abgeschafft wird", sagt SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig. Sie ist sich sicher: "Die Frauenquote wird die Unternehmenskultur in Deutschland verändern. Künftig müssen die Unternehmen in Sachen Frauenförderung auch wirklich umsetzen, was sie ankündigen."

Die Union war in der Quotenfrage lange tief gespalten. Die Gegner sehen in ihr für eine Elite von Frauen nicht die Lösung, um die Strukturen für die Masse der Frauen gerechter zu machen. Verhandlungsführerin Annette Widmann-Mauz mahnte auch nach dem Durchbruch zur Quote in der Nacht zu Montag: "Es ist falsch, nur auf die Aufsichtsräte und Vorstände zu starren und zu meinen, damit wäre das Thema Frauen in Führungspositionen erledigt", betonte sie. Ein paar Vorzeigefrauen mit einem Amt mehr machten eben noch keinen Kulturwandel. Ziel sei es, die Aufstiegschancen aller Frauen im Beruf zu verbessern.

Inwieweit die Quote Unternehmen nützt, ist umstritten. Während einige Studien bessere Bilanzen für Unternehmen mit hohem Frauenanteil an der Spitze sehen, verweisen die Quoten-Gegner darauf, dass in Norwegen die Unternehmensgewinne mit der Quote zurückgegangen seien. Allerdings fiel die Quotenregelung zeitlich mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zusammen.

(mar, qua)
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