Union präsentiert eigene Vorstellungen Kombilohn-Streit: Verlierer Grüne ohne Frust

Berlin (rpo). Im Koalitions-Streit um Wege aus der Jobkrise haben die Grünen ihre Vorstellungen nach einem milliardenschweren Sofortprogramm für Geringverdiener nicht durchsetzen können. Einen Tag nach dem Spitzengespräch im Berliner Kanzleramt sprachen sie dennoch von einem erfolgreichen Vorstoß.

Die Union wertete das Ergebnis der Koalitionsrunde als Ausdruck rot-grüner Zerstrittenheit und legte eigene Kombilohn-Vorstellungen auf den Tisch. Arbeits-Staatssekretär Gerd Andres (SPD) geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen im Januar auf bis zu 4,3 Millionen steigt.

Bei dem rot-grünen Spitzentreffen am Montagabend hatte die SPD die Vorstellungen der Grünen für breite Zuschüsse für Geringverdiener im Umfang von 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro als unbezahlbar abgelehnt. Vereinbart wurde allerdings, allein Erziehende mit Kindern steuerlich stärker zu begünstigen als bislang vorgesehen. Weiter erklärte sich die SPD zu einer Prüfung bereit, ob die Fristen für die Antragsberechtigten beim künftig bundesweit geltenden Kombilohn- Modell verkürzt werden können. Bislang war vorgesehen, dass nur jene Menschen diese staatlichen Subventionen erhalten, die länger als ein Jahr arbeitslos sind.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert, zeigte sich mit dem Ergebnis dennoch zufrieden. Die Grünen hätten eine ganze Reihe für sie zentraler Punkte durchgesetzt, sagte sie im Norddeutschen Rundfunk (NDR). Dazu zähle, dass "wir die Zielgruppe für das Mainzer Modell noch einmal erweitern". Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch sagte in Radio EINS (ORB/SFB), beide Seiten seien sich einig, die Haushaltskonsolidierung und den Abbau der Staatsverschuldung nicht aufs Spiel zu setzen. Der Grüne Haushaltsexperte Oswald Metzger zog ebenfalls eine positive Bilanz: "Die SPD bewegt sich", sagte er im Südwestrundfunk (SWR).

Arbeits-Staatssekretär Gerd Andres erwartet, dass die Zahl der Arbeitslosen im Januar um 300 000 bis auf 4,3 Millionen klettern kann. Er nannte diese Zahl nach Informationen der "Saarbrücker Zeitung" bei der Klausur des SPD-Vorstands in Berlin. Eine Ministeriumssprecherin sagte dazu auf Anfrage, Andres habe "seine persönliche Einschätzung abgegeben". Eine Prognose lehnte sie ab. "Wir warten die Entwicklung ab."

Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) geht davon aus, dass das Maßnahmepaket zur Arbeitsmarktpolitik nicht dazu führt, die Arbeitslosigkeit "gewaltig abzubauen". Schritte wie die Ausdehnung des Mainzer Kombilohn-Modells dienten eher dazu, spezielle Gruppen unter den Arbeitslosen in Arbeit zu bringen. Arbeitslosigkeit lasse sich nennenswert nur durch Wachstum reduzieren, sagte Müller.

Nach Ansicht von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos beweist der Ausgang des rot-grünen Spitzentreffens, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder die Schraube gegenüber den Grünen immer weiter anziehe. "Man lässt ihnen keinen Freiraum mehr, auch beim Thema Kombilohn." Der Sozialexperte der CDU/CSU-Fraktion, Karl-Josef Laumann, kritisierte das rot-grüne Maßnahmenbündel als unzureichend. Er forderte eine generelle Bezuschussung niedriger Stundenlöhne. Zusammen mit einer umfassenden Arbeitsmarktreform könne dies bis zu 800 000 neue Stellen bringen.

Die dazu notwendigen zehn Milliarden Euro will Laumann durch teilweise Umlenkung der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik von derzeit 20 Milliarden Euro finanzieren. Das arbeitsmarktpolitische Maßnahmenbündel der Regierung mit der geplanten Ausdehnung des Mainzer Kombilohn-Modells auf das gesamte Bundesgebiet kritisierte Laumann als "tot geborenes Kind". Für die Union muss der Kombilohn Teil einer Arbeitsmarktreform sein, die generell flexiblere Regelungen bringt.

Die PDS wertete die Kombilohn-Debatte als "Geste der Hilflosigkeit". Neue Arbeitsplätze entstünden dadurch nicht. Der Wirtschaftsweise Horst Siebert sieht in der bundesweiten Einführung von Kombilöhnen den Griff nach dem "Strohhalm zur Lösung der Probleme. Die notwendige Reform des Arbeitsmarktes findet dadurch nicht statt", schrieb Siebert in der "Financial Times Deutschland". Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) lehnte "jede Form" von Lohnsubventionierung ab. Die Erfahrung zeige, dass diese "immer zu Lasten stabiler und gut funktionierender Betriebe und deren Arbeitnehmer" gehe, sagte ZDB-Präsident Arndt Frauenrath.

(RPO Archiv)
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