Kolumne „Gott und die Welt“ Kleines Lob des Fußweges

Düsseldorf · Unsere mobile Gesellschaft verliert das Gefühl und die Erfahrung von Distanzen. Die schier grenzenlose Mobilität hat uns das Gefühl gegeben, auf dem Weg von A nach B ständig Zeit zu verlieren.

 Fußgänger in einer verregneten Innenstadt (Symbolfoto).

Fußgänger in einer verregneten Innenstadt (Symbolfoto).

Foto: dpa/Tom Weller

Ich gehe jetzt wieder häufiger und auch gerne zu Fuß durch die Stadt. Schon dieser Satz klingt nach Protest, wenigstens nach Verweigerung. Als ob man es jetzt allen zeigen wollte, die auf den überall bereitstehenden Rollern, Scootern, Leihfahrrädern und Leihautos unterwegs sind – zumeist vergleichsweise umweltfreundlich. Der Fußgänger wird zunehmend zum Relikt, wird stigmatisiert als jemand, der entweder zu alt oder zu arm für den beschleunigten Fortgang ist. Wer sich in einer ruhigeren Minute einmal im Straßenbild umschaut, kann schnell den Eindruck bekommen, dass die meisten von uns vor allem bestrebt sind, keine Zeit zu verlieren. Was immer das auch heißen mag: der Verlust von Zeit?

Ein Markenzeichen unserer Gesellschaft ist ihre Mobilität. Ihr verdankt sie ganz wesentlich Fortschritt und Entwicklung. Doch diese Beweglichkeit droht mehr und mehr zum Selbstzweck zu werden, indem wir einfach nicht mehr danach fragen, warum wir Wege so schnell wie möglich überbrücken müssen. Und warum die Distanz etwas Feindliches geworden ist, das es zu bezwingen gilt. Mir scheint, dass wir das Interesse an den sogenannten Zwischenräumen verloren haben. Zwischen Start und Ziel liegt Niemandsland. Das, was uns Navigationsgeräte im Auto bequem vormachen, haben wir offenbar verinnerlicht. Natürlich ist es irrsinnig, das alles jetzt zu verteufeln und zu bemäkeln. Der Fußgänger ist kein Heiliger. Aber manchmal ist er doch einer, der unterwegs Erfahrungen macht. Der die Straße, das Viertel, die Stadt mit anderen Augen sieht. Der Menschen begegnet. Der Gerüche wahrnimmt und der andere, neue Erlebnisse hat. Die Zeit dazu fehlt nie; sie ist nur eine andere geworden. Ich komme zu Fuß natürlich ein wenig später ans Ziel, doch wenn ich es recht bedenke, nie zu spät.

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