Kolumne „Gesellschaftskunde“ Der Islam von nebenan

Düsseldorf · Der Tag der offenen Moschee steht in der Kritik. Zu Unrecht: Er ist eine Errungenschaft.

 Gläubige stehen vor der Kölner Zentralmoschee der Ditib (Symbolfoto).

Gläubige stehen vor der Kölner Zentralmoschee der Ditib (Symbolfoto).

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Heute, am 3. Oktober, ist Tag der offenen Moschee. Etwa 1000 Gotteshäuser laden ein, 100.000 Besucher werden erwartet, „Heimat(en)“ ist das Motto. Ängste nehmen, Vertrautheit schaffen, ins Gespräch kommen, das ist das Ziel. Gute Sache, oder? Nein, verlogen – so sagt es die Anwältin, Publizistin und Frauenrechtlerin Seyran Ates. Sie hat 2017 in Berlin eine liberale Moschee gegründet und predigt dort als Imamin; das hat ihr Morddrohungen radikaler Muslime eingetragen. Ates sagt nun, Islamverbänden wie der Ditib gehe es oft um Abgrenzung. Die Moscheegemeinden sollten „für das Wohl dieser Gesellschaft beten“, stattdessen betrieben sie Identitätspolitik und schöben am 3. Oktober sich selbst in den Vordergrund.

Ates hat ja recht – zu oft wird immer noch hierzulande ein Islam gepredigt, der mit der pluralistischen Demokratie unvereinbar ist, von Imamen, die nicht in Deutschland ausgebildet sind und kein Deutsch sprechen. Sie hat recht, dass Identitätspolitik gefährlich ist, wenn jeder sich etwa bloß über Herkunft oder Religion definiert und vom Gemeinwesen nichts wissen will. Manche muslimische Verbandsvertreter pflegen eine Kultur des Beleidigtseins, die keinem hilft.

Trotzdem sind die Vorwürfe ungerecht. Erstens, weil sie einseitig sind. Seit 1997 gibt es den Tag der offenen Moschee, und er mag teils so verlogen sein wie der Einheitstag selbst oder Weihnachten – doch er ist eine Errungenschaft, weil er Grenzen überwindet. Zweitens schlägt Ates die Menschen mit den Verbänden (die nur einen Bruchteil der Muslime vertreten) über einen Leisten. Vorbehalte gegen den Islam verschwinden nicht durch Verbandstagungen, sondern durch persönliches Gespräch. Beim Gemüsehändler, in der Arztpraxis oder eben in der Moschee. Wir sollten froh sein, dass es diese Gelegenheit gibt.

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