Kolumne: Mit Verlaub Goldhochzeit mit dem Zeitgeist

Düsseldorf · Die Grünen profitieren seit jeher von deutschen Ängsten – genau wie die AfD.

 Die Führungsriege der Grünen (v.l.): Annalena Baerbock, Katrin Göring-Eckardt, Kirsten Kappert-Gonther, Anton Hofreiter, Robert Habeck und Cem Özdemir.

Die Führungsriege der Grünen (v.l.): Annalena Baerbock, Katrin Göring-Eckardt, Kirsten Kappert-Gonther, Anton Hofreiter, Robert Habeck und Cem Özdemir.

Foto: dpa/Arne Immanuel Bänsch

Sie kennen vielleicht den Spruch: Wer mit dem Zeitgeist verheiratet ist, ist bald schon Witwe. Das klingt flott und plausibel, weil die Mode im Allgemeinen und die politische Mode im Besonderen so rasch verweht wie Blätter im Herbstwind. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Denn wie keine andere Gruppierung im parteipolitischen Spektrum haben die Grünen den eingangs zitierten Satz widerlegt. Keine Witwenschaft in Sicht. Im Gegenteil. Grünen und Zeitgeist sehen der Goldhochzeit entgegen.

Wir haben es bei den Grünen seit ihrer Entstehung mit gelenkigen Zeitgeist-Wellenreitern zu tun. Sie verbinden deutschen Romantizismus mit klugem Kalkül dessen, was politisch-gesellschaftlich „in“ ist. In ihren Anfängen wirkte die erste Generation wie vom steigenden Wohlstand auf die Gesellschaft losgelassene Jungerwachsene. Deren vereinzelt schmuddelige Frivolitäten und ihr permanent aufständisches Gehabe gegen das System und „die Altparteien“ erinnern heute an Werdegang und Aufwuchs der AfD. Die AfD franst zum rechten Rand hin aus; bei den frühen Grünen waren die Türen zum Linksradikalismus immer angelehnt. Die hergebrachten Parteien mochten lange mit Grünen nichts zu tun haben, schon gar nicht wollten CDU/CSU und SPD mit ihnen regieren. Dafür gab es Gründe. Aber auch hier galt schnell Willy Brandts eherner Satz: „Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer.“

Die Grünen gehören zu den ersten Profiteuren deutscher Ängste: Ängste vor dem Waldsterben, dem Atomtod und nun vor dem Klima-Gau. Auch hier Parallelen zur AfD, die sich ebenfalls Ängste vieler Landsleute zu Nutze macht. Die AfD mag es gerne hören, die Grünen eher nicht: beide sind typisch deutsch. Als Nachbar wäre mir teutonischer Irrationalismus nicht geheuer.

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