Ex-Kanzler gegen Verwendung von Stasi-Protokollen Kohl stellt Gauck Ultimatum

Berlin/Hamburg (dpa). Der Streit zwischen Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und der Gauck-Behörde um die Stasi-Abhörprotokolle spitzt sich zu. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ haben die Anwälte Kohls Behördenchef Joachim Gauck ultimativ aufgefordert, mitzuteilen, ob die Behörde die Protokolle der von der Stasi abgehörten Telefonate Kohls herausgeben wolle.

Für diesen Fall erwäge er, „kurzfristig gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen“, habe der Ex-CDU-Chef über seine Anwälte wissen lassen. Sie hätten der Gauck-Behörde eine Erklärungsfrist bis zum kommenden Freitag gesetzt.

Gauck betonte am Sonntag, seine Behörde werde mit den Akten über Kohl genauso verfahren wie mit denen anderer Politiker. „Wir haben ein ganz hohes Interesse daran, dass die Rechtssicherheit des Bürgers Helmut Kohl gewahrt bleibt“, versicherte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen im Deutschlandfunk. Kohl werde allerdings auch nicht anders behandelt als andere Personen der Zeitgeschichte. „Den privaten Teil - Intimbereich, Gesundheit, Geld - schützen wir“, sagte Gauck. Informationen zu Bereichen, die das Handeln im Amt oder in der Politischen Funktion beträfen, könnten jedoch herausgeben werden, wenn begründete Anträge von Medien oder Forschern vorlägen.

CDU-Fraktionsvize: Unterlagen im Fall Kohl nutzen

Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch sagte, Ultimaten und Drohungen seien ein „untauglicher Versuch“, die Arbeit der Gauck-Behörde und des Spenden-Untersuchungsausschusses zu behindern. Er sprach sich zudem klar gegen eine Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes aus. „Das Gesetz hat sich bewährt“, betonte Schlauch.

Während die FDP-Fraktion im Bundestag eine Verwertung von Stasi- Abhörprotokollen in dem Untersuchungsausschuss ablehnt, hält es CDU-Fraktionsvize Günter Nooke für vertretbar, diese Unterlagen im Fall Kohl zu nutzen. In der ZDF-Sendung „Berlin Direkt“ sagte der ehemalige Bürgerrechtler, die Akten könnten genutzt werden, wenn es der Intention des Gesetzes entspreche. „Das heißt, wenn wir aufklären wollen, wer war inoffizieller Mitarbeiter oder wer war Opfer?“ Nach seiner Meinung braucht die CDU „keine Angst zu haben, auch zehn Jahre nach der deutschen Einheit nicht, wenn Akten öffentlich werden“.

Stasi-Akte über Strauß vernichtet

Ende März war bekannt geworden, dass die Stasi seit rund 20 Jahren vom illegalen Finanzgebaren der CDU wusste. Kohl will die Verwertung der ihn betreffenden Abhörprotokolle mit allen juristischen Mitteln verhindern und notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Im Brief der Kohl-Anwälte wird Gauck laut „Spiegel“ davor gewarnt, Kohls „personenbezogene Daten an öffentliche oder nicht öffentliche Stellen herauszugeben“. Kohl sähe dann seine „durch das Stasi- Unterlagen-Gesetz und die Verfassung begründeten Rechte verletzt“.

Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat 1990 eine Stasi-Akte über den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) vernichtet. Einen entsprechenden Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“ bestätigte am Samstag das Innenministerium in München. Mehrere personenbezogene Dossiers der DDR-Staatssicherheit, darunter auch die Strauß-Akte, seien auf Weisung des damaligen bayerischen Innenministers Edmund Stoiber (CSU) am 29. März 1990 vernichtet worden. Der jetzige Ministerpräsident Stoiber sei damals einem Beschluss der Bundesregierung gefolgt.

„Focus“ hatte berichtet, die Akte über Strauß habe umfangreiche Berichte über Geldgeschäfte, Polit-Intrigen und das Privatleben des CSU-Ministerpräsidenten enthalten. Das bayerische Inneministerium sprach in diesem Zusammenhang von „bloßen Vermutungen“, da das Material vor der Vernichtung weder gesichtet noch ausgewertet worden sei. Die Bundesregierung hatte am Montag bestätigt, dass vor der Deutschen Einheit im Einvernehmen aller Parteien Stasi-Protokolle vernichtet wurden, die in westlicher Hand waren.

(RPO Archiv)
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