Debatte um Stasi-Akten Kohl meldet sich in Fraktion zurück

Berlin (dpa). Altkanzler Helmut Kohl meldet sich an diesem Montag in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zurück. Der frühere CDU-Vorsitzende will nach zehnmonatigem Fernbleiben infolge der Spendenaffäre an der ersten Fraktionssitzung nach der Sommerpause teilnehmen. Einen Tag später will Kohl an einer FDP-Veranstaltung zum zehnten Jahrestag der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages in Berlin teilnehmen.

Zehn Jahre nach der deutschen Einheit hatte es heftige Debatten um die Rolle des Altkanzlers bei den Feiern um den 3. Oktober gegeben. Kohl hatte seine Teilnahme am offiziellen Festakt in Dresden abgesagt, wo er nicht als Redner vorgesehen war. Nach einem Gespräch mit Angela Merkel erklärte sich Kohl schließlich bereit, zusammen mit der CDU-Chefin am 1. Oktober bei einer CDU-Veranstaltung zu reden.

Nach der Einladung zu diesem Termin ist der Auftritt des Altkanzlers in der Fraktion ein weiterer Schritt der Wiedereingliederung Kohls in das Parteileben der CDU. CDU-Vize Christian Wulff sprach in der "Märkischen Oderzeitung" von einem "normalen Vorgang". Auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte zuvor erklärt, er gehe davon aus, dass mit Kohls Teilnahme an Fraktionssitzungen wieder ein "gewisses Maß an Normalität eintritt".

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse bewertete die angekündigte Rückkehr Kohls in die Unionsfraktion dagegen als besonderen Vorgang: Nicht ein normaler Abgeordneter, sondern ein ehemaliger Bundeskanzler, der immer noch das Gesetz verletze, kehre in die Parlamentsarbeit zurück, sagte der SPD-Politiker am Freitagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Kohl weigert sich nach wie vor, die Namen der Spender preiszugeben, von denen er rund zwei Millionen Mark für die CDU angenommen haben will. Die Gelder wurden - anders als im Parteiengesetz vorgeschrieben - nicht als Spenden verbucht.

Thierse geht nicht von einer raschen Entscheidung über mögliche Strafzahlungen der CDU im Zusammenhang mit der Spendenaffäre aus. Es gebe keinen Grund zur Eile. Erst wenn die Staatsanwaltschaft und der Untersuchungsausschuss des Bundestages zu Ergebnissen gekommen seien, "muss ich etwas entscheiden", sagte Thierse. Im Zusammenhang mit unkorrekten Rechenschaftsberichten drohen der CDU Strafzahlungen in Millionenhöhe.

CDU-Bundesgeschäftsführer Willi Hausmann sagte der "Berliner Morgenpost" (Sonntag), seine Partei wolle voraussichtlich eine Fristverlängerung für die Vorlage des Rechenschaftsberichts 1999 beantragen. Die Verlängerung sei eine "Vorsichtsmaßnahme", weil die Partei "nicht Gefahr laufen" wolle, dass irgendwelche Fragen offen blieben.

Am Dienstag wird Kohl an einer FDP-Veranstaltung anlässlich des zehnten Jahrestages der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages in Berlin teilnehmen. Ein Kohl-Sprecher bestätigte einen entsprechenden Bericht der "Welt am Sonntag". Dabei werden der ehemalige sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow und der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) Vorträge über die geschichtliche Dimension des Vertragswerks halten. Genscher hatte vor zehn Jahren als Außenminister - neben dem damaligen DDR- Ministerpräsidenten Lothar de Maizière - für die deutsche Seite den Vertrag unterzeichnet, der Deutschlands Souveränität garantiert.

Kohl wies unterdessen den Vorwurf zurück, er wolle die Einsicht in seine Stasi-Akten verzögern, um die von der Gauck-Behörde angekündigte Herausgabe der Unterlagen an Journalisten zu verhindern. Eine entsprechende Behauptung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" sei "falsch", erklärte Kohls Büroleiter Michael Roik. Kohl habe die Einsicht in die Unterlagen nicht "abgebrochen", sondern nur einen Termin verschoben.

"Der Spiegel" hatte berichtet, die Gauck-Behörde habe Kohl mahnen müssen, die von ihm angekündigte Akteneinsicht endlich wahrzunehmen. In der vergangenen Woche habe der Altkanzler dann zwar mit dem Lesen der Dossiers begonnen, einen ursprünglich am vergangenen Donnerstag geplanten zweiten Termin habe er aber telefonisch abgesagt. Als Begründung habe der Altkanzler angegeben, dass die vereinbarte Diskretion bei der Einsichtnahme nicht mehr gewährleistet sei.

Bei den Kohl-Dossiers handelt es sich laut "Spiegel" um rund zwei laufende Meter Akten. Kohls Büroleiter erklärte, dem Altkanzler sei es nicht möglich gewesen, die umfangreichen Aktenbestände bei einem einzigen Termin durchzusehen. Daraufhin sei ein zweiter Termin verabredet worden.

(RPO Archiv)
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