Altkanzler froh über das Ende seiner Karriere Kohl geht und mit ihm viele prominente Parlamentarier

Berlin (rpo). Am Dienstag verabschiedet sich Altkanzler Helmut Kohl von der bundespolitischen Ebene. "Gott sei Dank - das letzte Mal ... ", rief Kohl wohl nicht ganz ernst gemeint in die Runde der Unionsfraktion, die ihm respektvoll Platz machte.

Kohls bundespolitische Karriere ist nach fast drei Jahrzehnten an der Spitze von Partei und Staat endgültig beendet. Im "Buch der Geschichte", in dem sich viele Kapitel über den "Einheitskanzler" finden, wird mit der 15. Legislaturperiode eine neue Seite aufgeschlagen.

Das Konterfei Kohls ist den Menschen in vielen Städten der Welt bekannt. Im offiziellen Berlin ziert jedoch kaum eine Wand das Bild des ehemaligen Regierungschefs, weder in Öl noch als Aquarell. Im modernen Kanzleramt, im ersten Stock, hängen die Gemälde der Vorgänger von Gerhard Schröder: Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt und als letztes Helmut Schmidt.

Nur Kohl fehlt, obwohl oder gerade weil er mit 16-jähriger Amtszeit der Rekordkanzler war. In den vergangenen vier Jahren seit dem Wahldesaster 1998 habe "der Chef" - so heißt es in seinem Büro - kaum Zeit gehabt, Modell zu sitzen. Während der CDU-Spendenaffäre mangelte es neben der Zeit auch an Muße. Dann kam der Freitod seiner Ehefrau sowie der letzte Wahlkampf.

Viele Maler, die den Alt-Kanzler auf die Leinwand bannen wollten, hätten sich gemeldet, sagt die Kohl-Vertraute Juliane Weber. Gleichwohl ist eine Entscheidung noch nicht gefallen. Kohl hat nach der Tradition das Recht, sich einen Künstler auszusuchen - ob er darüber im Moment nachdenke, wisse niemand. Die Memoiren des ehemaligen Regierungschefs sollen auch erst nächstes Jahr erscheinen, er arbeite daran.

Familie soll im Vordergrund stehen

ür Kohl wie für viele der Altvorderen, die auf eigenen Wunsch nicht mehr in den Bundestag zurückkehren, beginnt jetzt die Epoche ohne Fraktionszwang, Zählappelle und stundenlange Ausschusssitzungen. Bücher lesen oder Bücher schreiben steht auf der Liste derer, die sich aus dem Bundestag verabschiedet haben, ganz oben. Zu ihnen zählt auch die prominenteste SPD-Ruheständlerin, die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs.

Jetzt will sie sich hauptsächlich um die Familien kümmern und all die Bücher lesen, die sich seit langer Zeit in ihrem Zuhause stapeln. Bücher schreiben will der kantige CDU-Politiker Heiner Geißler (72), einst enger Kohl-Vertrauer und später lautstarker Kohl- Kritiker. Freiwillig wie er scheidet auch die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (65) aus. Sie behält wie Kohl ein Büro in Berlin, will jedoch das Privatleben mit ihrem Mann in Neuss mehr pflegen. Schröder hat ihr außerdem den Vorsitz des neuen Zuwanderungsrates übertragen.

Eine große Feier stand auf dem Programm

Keine Angst vor dem Ruhestand hat auch das christdemokratische "Urgestein", Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm (67), der - "die Rente ist sicher" - künftig seine Enkelkinder noch mehr verwöhnen will. Nebenbei betreibt er im Fernsehen ein munteres Ratespiel. Ex- Finanzminister Theo Waigel (CSU) kümmert sich künftig nur noch um seine Privatkasse und in der Anwaltskanzlei seines Sohnes um Klienten.

Totale Tristesse herrschte bei der PDS: Während die anderen feierten, begannen 37 Abgeordnete nach dem Ausscheiden aus dem Parlament mit dem Ausräumen ihrer Büros. Traurig war auch Familienministerin Christine Bergmann (SPD), die in ihrem Wahlkreis der PDS-Frau Petra Pau unterlag. Auch der Chef der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt, Klaus Wiesehügel (SPD), kehrt nicht mehr zurück, weil er trotz scheinbar sicherem Listenplatz scheiterte.

In einem großen Berliner Hotel war am Abend eine von jenen Feiern geplant, die Kohl so liebte: Gut trinken, viel essen, Geschichten aus einer ferner Zeit erzählen und dazu ein paar Streicheleinheiten von "seiner CDU".

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort