Bangkok König Bhumibol herrschte 70 Jahre

Bangkok · Der Thailänder war der am längsten regierende Monarch und überstand 20 Militärputsche. Sein Tod stürzt das Land in Unsicherheit.

Vor dem Siriraj-Krankenhaus in Bangkok hatten sich in den vergangenen Tagen immer mehr Menschen versammelt, um für Thailands König Bhumibol Adulyadej zu beten: manche in rosa Kleidern, einer Farbe, die der Tradition zufolge Gesundheit bringen soll. Als gestern der Hof den Tod des am längsten regierenden Monarchen der Welt bekannt gab, zeigten sich viele erschüttert. Der 88-jährige Bhumibol hatte eine einzigartige, einende Rolle in der turbulenten Politik des Landes gespielt. In diesem Jahr saß der neunte König der Chakri-Dynastie bereits seit 70 Jahren auf dem Thron. In seiner Zeit als Regent hat er fast 20 Militärcoups überstanden - den letzten 2014.

Der Tod des Monarchen stürzt das südostasiatische Land in tiefe Unsicherheit. Obwohl Bhumibol seit Jahren kaum mehr öffentlich aufgetreten war, nachdem er 2007 einen Schlaganfall erlitten hatte, galt er als einer der wenigen Pfeiler politischer Stabilität. Das Volk brachte ihm, der als erster thailändischer König als konstitutioneller Monarch regierte, Respekt und Vertrauen entgegen. Unter seiner langen Regentschaft hat sich Thailand von einem armen Land mit feudalen Traditionen und wenig Industrie zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht Südostasiens entwickelt. Bhumibols designierter Nachfolger, der 64-jährige Kronprinz Maha Vajiralongkorn, ist weit weniger beliebt. Während sein Vater für seine strenge Arbeitsethik und furchtloses Auftreten in politischen Krisenzeiten legendär war, haftet dem Kronprinzen der Ruf eines Playboys an. Dass er sich von seiner ersten Frau scheiden ließ, weil diese angeblich zu viel Tischtennis spielte, wird ihm ebenso übel genommen wie die halb nackten Auftritte seiner Gemahlin oder die Tatsache, dass er seinen Pudel zum Luftmarschall machte.

Der 1927 in den USA geborene Bhumibol Adulyadej war nie für den Thron vorgesehen. Doch als 1946 sein zwei Jahre älterer Bruder Ananda, König Rama VIII. von Sikkim, mit einem Kopfschuss tot in seinem Bett im Großen Palast in Bangkok aufgefunden wurde, ging die Krone an Bhumibol. Bis heute ist ungeklärt, wie Ananda zu Tode kam. Der 18-jährige Bhumibol, der zu dieser Zeit in der Schweiz studierte, entschloss sich, sein Studium zu beenden und wurde erst 1950 offiziell gekrönt. In seiner ersten Ansprache vor dem Parlament warnte der junge Monarch vor den Gefahren des Kommunismus. Er machte es sich selbst zur Aufgabe, das Wohl der Bauern zu verbessern, weil er darin den besten Schutz gegen politischen Umsturz sah.

Doch Bhumibol bot auch mehrfach Thailands Militär die Stirn, um die Demokratie zu verteidigen. Etwa 1973, als er die Tore seines Palastes für demonstrierende Studenten öffnete, um ihnen Schutz vor der Armee zu bieten, die in die Menge schoss. Oder 1992, als der Monarch die beiden führenden Repräsentanten der Militärregierung zu einer nächtlichen Audienz bat, bei dem die beiden sich auf Knien eine königliche Standpauke anhören mussten, die landesweit im Fernsehen übertragen wurde. "Ihr folgt nicht dem Willen des Volkes", erklärte der König ruhig. Seine demütigende Intervention führte zu Neuwahlen.

Der zurückhaltend wirkende Monarch wachte jedoch streng über sein Image als bescheidener, volksnaher und moralisch integrer König. Der Jazz-Liebhaber spielte öffentlich Saxophon und machte auch aus seinem Faible für Schwarz-Weiß-Fotografie keinen Hehl. Seinem tadellosen Ruf half auch Thailands drakonisches Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, das alle Mitglieder der Königsfamilie vor Diffamierung und übler Nachrede schützt und kritische Äußerungen mit Haft bis zu 30 Jahren bestraft. 2014 wurde sogar eine Frau angezeigt, weil sie am Geburtstag des Königs Schwarz trug. Für Aufruhr sorgte auch eine abfällige Bemerkung über den vom König geretteten Straßenhund Copper. "In dem Moment, in dem man das Geheimnisvolle entfernt, wird die Institution den täglichen Prüfungen durch die modernen Medien ausgeliefert, und das ist das Ende", erklärte Bhumibol einmal. Wie weit die strikte Nachrichtenkontrolle des Königshofs geht, lässt sich an der offiziellen Biografie des Königs zeigen. Demnach haben er und seine Frau Sirikit drei Kinder. Doch die Wahrheit ist eine andere: Ihr viertes Kind, die älteste Tochter, verliebte sich in ihrer Studentenzeit in den USA in einen bürgerlichen Mitstudenten, den sie später heiratete. Seither tritt sie in Thailand nicht mehr auf - weder auf Fotos noch in den Medien. Es ist schwer abzuschätzen, wie sich Thailands Monarchie unter einem neuen König entwickeln wird.

(RP)
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