Schärfere Sanktionen bei "Arbeitsunwilligen" Koch schiebt Sozialhilfe-Reform an

Berlin (rpo). Mit seiner geplanten Sozialhilfe-Reform will Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Zahl der Empfänger halbieren. Dafür soll zwar auch die Qualität der Arbeitsvermittlung erhöht werden, aber Arbeitslose müssen auch mit erheblichen Leistungskürzungen rechnen, wenn sie "zumutbare" Arbeit ablehnen.

Dazu sollen Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt, die Arbeitsvermittlung verbessert und die Sanktionen gegen Arbeitsunwillige verschärft werden. Der Vorstoß traf bei SPD, Grünen und Gewerkschaften auf harsche Kritik. Koch will mit seiner Bundesratsinitiative erreichen, dass Hessen und andere Bundesländer bis Ende 2007 die geplanten Maßnahmen zunächst als Modellversuche umsetzen können. Er orientiert sich an einem ähnlichen Modell aus dem US-Bundesstaat Wisconsin. Sozial- und Arbeitslosenhilfeempfänger sollen gemeinsam in Job-Centern betreut werden. Jeder Betroffene soll einen eigenen Ansprechpartner bekommen, der bei Jobsuche und Qualifizierung hilft sowie die staatlichen Hilfen bewilligt.

Die Leistungen und Gegenleistungen, Rechte und Pflichten von Hilfesuchenden und Staat sollen nach Kochs Vorstellungen in einem verbindlichen Vertrag festgeschrieben werden. Darin soll klar definiert werden, welche Arbeit zumutbar ist, so zum Beispiel auch gemeinnützige Tätigkeiten oder Beschäftigungen, mit denen der Hilfesuchende netto weniger in der Tasche hat als mit Arbeitslosenhilfe. Wer einen zumutbaren Job grundlos ablehne, müsse mit Leistungskürzungen rechnen.

Kindern wird die Lebensgrundlage entzogen

Das Bundesarbeitsministerium kritisierte, dass Leistungskürzungen dazu führten, dass Kindern die Lebensgrundlage entzogen werde, wenn Eltern eine zumutbare Tätigkeit ablehnten. Der Vorschlag von Koch für effizientere Strukturen der Arbeitsvermittlung erreiche zudem genau das Gegenteil. Wenn die Länder darüber entscheiden sollten, ob Arbeitsvermittlung durch Sozial- oder Arbeitsämter durchgeführt werde, entstehe eine unübersichtliche Doppelbürokratie.

Bis zu 30 Prozent der Mittel, die die Bundesanstalt für Arbeit den Arbeitsämtern für aktive Arbeitsförderung gewährt, wollen die Hessen nach eigenen Angaben den Job-Centern zur Verfügung stellen. Auch sollten sie vom Bund die bewilligte Arbeitslosenhilfe erhalten. Durch die Neuregelung entstünden für Bund und Kommunen keine Mehrkosten, versicherte der Ministerpräsident.

Dieses "Offensiv-Gesetz" sei notwendig, sagte Koch, weil bisherige Maßnahmen wie das Job-Aqtiv-Gesetz der Bundesregierung keine Zusammenführung der Mittel und Auszahlung aus einer Hand erlaubten. Er verfolge einen Paradigmenwechsel. Statt des Anspruchs auf Geldleistung erhielten die Erwerbslosen ein Recht auf Vermittlung.

Die Grünen kritisierten den Vorschlag als "Luftnummer". Von insgesamt 2,8 Millionen Sozialhilfeempfängern seien nur 800.000 erwerbsfähig. Die übrigen könnten anerkanntermaßen keine Arbeit aufnehmen, weil es Kinder, Alte, allein Erziehende oder Behinderte seien. "Kochs Vorschlag ist eine populistische Wahlkampfnummer", erklärte die Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller.

Auch der rheinland-pfälzische Sozialminister Florian Gerster (SPD) sagte, Kochs Vorschläge brächten die Diskussion um die Sozialhilfe nicht entscheidend weiter. Die geforderten Sanktionen gegen Arbeitsunwillige seien bereits geltendes Recht. Auch viele andere von Kochs angeblich innovativen Vorschlägen seien bei den Sozialämtern bereits gängige Praxis. Kritik übte auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die den Vorschlag für unzweckmäßig hält.

(RPO Archiv)
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