Berlin Schwarz-Rot einig bei Pkw-Maut und Rente

Berlin · Die CSU setzt sich mit der Forderung nach einer Vignette für Ausländer durch. Außerdem vereinbaren Union und SPD höhere Renten für ältere Mütter und abschlagsfreie Altersbezüge für langjährig Versicherte.

Union und SPD haben bei den Koalitionsverhandlungen gestern eines der strittigsten Themen aus dem Weg geräumt. Die Unterhändler beider Parteien einigten sich auf die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. "Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird", heißt es im Koalitionsvertrag, der heute vorgestellt werden soll und unserer Zeitung vorliegt. Dabei müsse die Ausgestaltung allerdings "EU-rechtskonform" erfolgen.

Das Verkehrsministerium erhofft sich offenbar unter dem Strich Einnahmen bis zu 800 Millionen Euro pro Jahr. Das entsprechende Gesetz soll im Laufe des Jahres 2014 verabschiedet werden und 2015 in Kraft treten. Im Gespräch ist eine Jahres-Vignette für 100 Euro.

Damit liegen die Hürden für die Einführung einer Maut sehr hoch. Die neue Gebühr muss demnach zusätzliche Einnahmen für die Staatskasse gewährleisten. Eine Verbindung zwischen dem Kauf einer Vignette und entsprechender Entlastung bei der Kfz-Steuer dürfte in der Praxis jedoch schwer umzusetzen sein. Kostet eine Vignette 100 Euro, müsste es für Kleinwagenhalter, die deutlich weniger als 100 Euro Steuern pro Jahr zahlen, eine zusätzliche Entlastung geben.

Am späten Abend einigten sich die Spitzen von Union und SPD außerdem auf mehrere Rentenreformen: Demnach soll es ab 2014 eine Besserstellung von Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, im Rentensystem geben. Außerdem sollen langjährig Versicherte (mindestens 45 Beitragsjahre) mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können.

Schwarz-Rot plant auch eine "Lebensleistungsrente" ab 2017. In diesem Modell sollen Rentenansprüche von Geringverdienern auf bis zu 850 Euro pro Monat aufgestockt werden. Einig waren sich die künftigen Koalitionäre ebenfalls bei einer Verbesserung der Erwerbsminderungsrente. Fast jede fünfte ausbezahlte gesetzliche Rente ist heute eine Erwerbsminderungsrente.

Offen war in den Verhandlungen bis zuletzt die Umsetzung weiterer sozialpolitischer Maßnahmen wie der Finanzierung der Eingliederungshilfe für Behinderte. Vor allem die SPD-Ministerpräsidenten hätten bis zuletzt auf mehr Geld vom Bund beharrt, hieß es. Am Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts ab 2015 wollen Union und Sozialdemokraten festhalten.

Die Parteichefs Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) wollen heute den Koalitionsvertrag vorstellen. Zwischenzeitlich gerieten die Verhandlungen jedoch ins Stocken — wegen finanzieller Differenzen wurde die große Runde der 77 Verhandlungsführer verschoben. Teilnehmer der Union sprachen von "kritischer" und "ernster" Stimmung. Von SPD-Seite hieß es hingegen, es werde nur ernsthaft diskutiert. Sogar von "guter Atmosphäre" war die Rede.

Die Ressortbesetzungen sollen zudem auf Wunsch von SPD-Chef Gabriel erst nach dem Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag präsentiert werden. Grund: Die Sozialdemokraten fürchten, bei zu vielen Kompromissen die Abstimmung der Basis nicht zu überstehen. Das Ansinnen stieß bei Teilen der Union als unpraktikabel auf Widerstand.

(brö, qua)
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