Berlin Koalition ringt um den Haushalt für 2017

Berlin · Bundesfinanzminister Schäuble hat angesichts komfortabler Einnahmen leichte Steuersenkungen angekündigt. Die SPD drängt gleichzeitig auf weitere Investitionen, der Wahlkampf hält nun Einzug.

Wolfgang Schäuble (CDU) hat eine Stunde Redezeit an diesem Dienstagmorgen im Bundestag. Die meisten Abgeordneten sind anwesend, die Regierungsbank ist nahezu vollständig besetzt samt Kanzlerin und Vizekanzler. Der Bundesfinanzminister nutzt diese Gelegenheit für eine fast präsidial anmutende Rede. Internationale Konflikte, Rechtspopulismus, gesellschaftliche Umschwünge, Klimawandel, wirtschaftliche Entwicklung Afrikas, Schäuble erwähnt all das. Und immer wieder leitet er daraus die Botschaft ab: Die Spielräume für finanzielle Entlastungen der deutschen Steuerzahler sind sehr eng. Schließlich gebe es keine Garantie, dass es Deutschland dauerhaft so gut gehen werde wie jetzt.

Dennoch hat Schäuble bei seiner Vorstellung des Haushalts, die den Auftakt für die parlamentarischen Beratungen bildet, Steuersenkungen von 2017 an in Aussicht gestellt. Demnach sollen Grundfreibetrag, Kindergeld, Kinderfreibetrag sowie der Steuertarif angepasst und Auswirkungen der sogenannten kalten Progression korrigiert werden, sagte Schäuble. Der Effekt entsteht, wenn Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen und die Kaufkraft des Arbeitnehmers nicht steigt. Durch den Tarifverlauf zahlt er dann überproportional mehr Steuern. Wegen der niedrigen Inflation ist der Effekt derzeit aber gering.

Und so dürften auch diese Wahlgeschenke wenig Euphorie auslösen. Zumal Schäuble im Zuge des Existenzminimumberichts, den die Bundesregierung alle zwei Jahre vorlegen muss, zu Angleichungen verpflichtet ist. Echte Steuerentlastungen könnte es nach der Wahl geben.

Daher betonte Schäuble gestern lieber die vom Kabinett beschlossenen Etaterhöhungen für die einzelnen Ressorts. 20 Prozent mehr für das Bauministerium, um den sozialen Wohnungsbau voranzutreiben, zehn Prozent mehr für das Verkehrsressort für bessere Infrastruktur, knapp sieben Prozent mehr für das Innenministerium. "Es gab und gibt keinen Sparkurs in der Inneren Sicherheit", sagte Schäuble direkt an SPD-Chef Gabriel gerichtet, der der Union kürzlich vorgeworfen hatte, das Ministerium kaputtzusparen.

Und so wurde nicht nur an dieser Stelle deutlich, dass sich Union und SPD mehr und mehr in Wahlkampfrhetorik üben. Das nun anstehende Tauziehen um tausende Einnahme- und Ausgabeposten in den Ausschüssen dürfte also auch davon geprägt sein. Aus dem Willy-Brandt-Haus hieß es gestern bereits, man erhoffe sich unter anderem eine Angleichung der Ost-West-Renten und deutlich mehr Investitionen in die digitale Infrastruktur. Schäuble betonte im Bundestag, der Haushalt werde auch bis 2020 ohne neue Schulden auskommen. Mitte November soll das Zahlenwerk endgültig festgezurrt werden.

(jd)
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