Berlin Koalition einigt sich auf neues Wahlrecht

Berlin · Drei Monate nach der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist zur Novellierung des Wahlrechts haben Union und FDP dem Plenum einen Entwurf für die Neugestaltung des Wahlrechts vorgelegt. Der Bundestag soll schon in der kommenden Woche darüber abstimmen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2008 die bisherige Regelung für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber auferlegt, das sogenannte negative Stimmgewicht zu beseitigen. Ein solches liegt vor, wenn mehr Zweitstimmen für eine Partei zu weniger Mandaten derselben Partei führen.

"Der jetzt beschlossene Entwurf schließt das negative Stimmgewicht aus. Die Ursache dafür ist die bisherige Möglichkeit, Landeslisten zu verbinden. Unsere Lösung besteht darin, diese Verbindungsmöglichkeit abzuschaffen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Günter Krings, gestern in Berlin. Die Verrechnung zwischen den Bundesländern soll abgeschafft werden. Vertreter der Fraktionen von SPD und Grünen kündigten unterdessen an, Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen, sollte die Neuregelung verabschiedet werden. "Ich bedauere sehr, dass die Koalition trotz unserer Verhandlungsangebote das Wahlrecht jetzt im Alleingang verabschieden will", kritisierte Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. "Es war bislang üblich, das Wahlrecht im Konsens zu verabschieden. Jetzt will die Mehrheit des Parlaments gegen die Minderheit eine Reform des Wahlrechts durchsetzen. Das Wahlrecht ist konstitutiv für unsere Demokratie. Es gewährleistet, dass das Volk die Staatsgewalt ausüben kann. Wer eine so zentrale Frage im Konflikt durchsetzt, beschädigt unsere Demokratie."

In Koalitionskreisen gilt der Vorstoß von Union und FDP als Zeichen der Stärkung des kriselnden Bündnisses. Man müsse Handlungsfähigkeit demonstrieren, hieß es. Das aktuelle Wahlrecht verstößt gegen das Grundgesetz. Die schwarz-gelbe Koalition hatte sich erst Ende Juni auf einen Gesetzentwurf einigen können, was zu Kritik in Wissenschaft und in der Opposition geführt hatte. In der Vergangenheit wurden Korrekturen beim Wahlrecht meist parteiübergreifend gelöst, um das Thema aus der Parteipolitik herauszuhalten. "Die Koalition missbraucht das Wahlrecht als Machtrecht", sagte Oppermann. Die Neuregelung werde die Überhangmandate erhalten. Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die CDU/CSU dadurch 22 zusätzliche Parlamentssitze erhalten; die übrigen Parteien gingen leer aus.

(RP)
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