Debatte um Grünen-Vorschlag Laschet: „Klimaschutz ist Kanzlerjob“
Exklusiv | Berlin · Die Idee der Grünen für ein Klimaschutzministerium mit Veto-Recht hat eine Kontroverse ausgelöst. Ablehnung kam von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Die frühere Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will dem Umweltressort hingegen mehr Macht einräumen, als es die Grünen planen.
Klimaschutz und die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens sollen künftig zum Leitbild für die Bundesregierung werden. Das wollen die Grünen im Falle einer Regierungsbeteiligung mit einem Klimaschutzministerium erreichen, das über ein Veto-Recht verfügen soll. Die Idee, die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Dienstag präsentiert hatte, sorgt jetzt für eine hitzige Debatte.
Armin Laschet, CDU-Chef und Kanzlerkandidat der Union, wies den Vorschlag zurück. „Klimaschutz ist Kanzlerjob“, sagte er unserer Redaktion. „Wir wollen Deutschland zum klimaneutralen Industrieland machen. Das umfasst auch soziale und wirtschaftliche Fragen“, so Laschet. „Alle Kabinettsmitglieder müssen daran mitwirken und eine künftige Bundesregierung braucht nicht Veto, sondern Turbo“, sagte Laschet. „Kluger Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe und kein Veto-Job einer grünen Ministerin“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.
Grünen-Chef Robert Habeck sieht hingegen die Union als „Klimarisiko“ für Deutschland und weist die Kritik an einem neuen Klimaschutzministerium mit Veto-Recht zurück. „Vorschläge ablehnen, aber selber keine machen, das geht nicht“, sagte Habeck. Seine Partei habe ihre Vorstellungen zur Einhaltung der Pariser Klimaziele auf den Tisch gelegt und freue sich über die „intensive Debatte“.
Zuvor hatte der frühere Bundesumweltminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) die Idee als „Volksverdummung“ bezeichnet. Auch die frühere Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lehnt ein neues Klimaschutzministerium, fordert aber über die Vorschläge der Grünen hinaus eine Stärkung des Umweltministeriums. „Von der Idee eines Klimaschutzministeriums halte ich nichts, weil die einzelnen Ministerien verantwortlich bleiben sollten für Klimaschutz in ihrem jeweiligen Fachgebiet“, sagte sie. „Allerdings sollte das Umweltministerium künftig noch stärker werden, als es die Grünen wollen: Es sollte ein Veto-Recht bekommen, wie es heute das Finanzministerium hat“, sagte Hendricks. „Damit könnte es in der Ressortabstimmung mehr Verhandlungszeit erzwingen. Darüber hinaus sollte es ein Initiativrecht erhalten, um Gesetze beispielsweise im Verkehrsministerium anschieben zu können“, forderte die SPD-Politikerin.
Grünen-Chef Habeck sieht grundsätzliche Versäumnisse in der Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahre. „Was bei der Haushaltspolitik gelebte Praxis ist, geht auch in der Klimapolitik. Bei beidem geht es um ein knappes Gut und Generationengerechtigkeit", sagte Habeck. Viel zu oft sei die Einhaltung des Pariser Klimavertrags im Regierungsalltag zurückgestellt worden. Nach aktuellen Prognosen werde Deutschland 2021 sein Klimaziel deutlich verfehlen. „Da klafft eine eklatante Lücke zwischen Reden und Handeln. Führt die Union ihre Politik so fort, ist das gemessen an der realen Situation ein Klimarisiko.“ Deshalb müsse der Klimaschutz institutionell gestärkt werden. Ein neues Ministerium sollte als Querschnittsministerium regulär in die Mitzeichnung aller Kabinettsvorlagen einbezogen werden und jeweils einen „Klima-TÜV“ durchführen.
Der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ reicht das nicht. Unter dem Eindruck der jüngsten Flutkatastrophen forderten mehrere Klimaschutzaktivistinnen eine Nachbesserung der Wahlprogramme von CDU, SPD und Grünen. „Während die Folgen der Klimakrise weltweit eskalieren, halten die Grünen an Gas, die CDU an neuen Autobahnen und die SPD am Kohleausstieg 2038 fest. Statt ernsthaft Emissionen zu reduzieren, treiben sie die Erderhitzung damit noch weiter an“, sagte die Klimagerechtigkeitsaktivistin und FfF-Pressesprecherin Carla Reemtsma. „Als Reaktion auf die Klimakatastrophen fordern wir von allen Parteien die Neuverhandlung ihrer Wahlprogramme, um die 1,5 Grad-Grenze einzuhalten“, so die 23-Jährige. Sie nannte es „verlogen“, dass sich alle Parteien für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze aussprechen würden und keine Partei einen Plan habe, der damit übereinstimme.
Die Aktivistin und Sprecherin Line Niedeggen, die aus einem der von der Flut besonders betroffenen Gebieten stammt, sprach von Verhöhnung durch die Parteien. „Ich erlebe seit drei Wochen plötzlich in meiner Heimat, wie die Klimakrise Existenzen und Familien zerstört. Was wir hier an gesellschaftlichem Zusammenhalt erleben, verhöhnen die Parteien mit ihrer realitätsfernen Reaktion auf die Zerstörung“, so Niedeggen. Zu dem von den Grünen am Dienstag vorgelegten Klimaschutz-Sofortprogramm sagte sie: „Die Grünen legen mit ihrem Klima-Sofortprogramm den Fokus auf Symbolpolitik und weigern sich, die notwendigen Maßnahmen für 1,5-Grad nachzuliefern“. Die Bundesregierung müsse „sofortige finanzielle Hilfen für Betroffene von Klimakatastrophen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und auch weltweit“ bereitstellen, um die Schäden und zukünftige Katastrophen einzudämmen, betonte die 24-Jährige weiter.