Bundestagsfraktion in Weimar Kohle, Klima, Ampelzoff – so war die Klausur der Grünen

Weimar · Die Grünen-Bundestagsfraktion stellt sich für ein herausforderndes Jahr auf. Bei ihrer Klausur in Weimar machen sich die Abgeordneten für mehr Klimaschutz stark und verprellen gleich auch schon die Braunkohlearbeiter im Osten.

 Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge (vorne) mit Wirtschaftsminister Robert habeck, Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann und Außenministerin Annalena Baerbock zum Auftakt der Klausur in Weimar.

Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge (vorne) mit Wirtschaftsminister Robert habeck, Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann und Außenministerin Annalena Baerbock zum Auftakt der Klausur in Weimar.

Foto: dpa/Martin Schutt

Katharina Dröge schickt in dieser Nachmittagsstunde eine unmissverständliche Nachricht von Weimar nach Berlin: „Wir würden uns freuen, wenn der Koalitionsvertrag eingehalten wird.“ Ein simpler Satz. Nicht schwer zu verstehen. Und trotzdem ein Satz mit Nachhall. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, in diesen Tagen vor allem bei den Grünen nicht allzu beliebt, könnte sich angesprochen fühlen. Was Dröge, Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, zum Auftakt der Klausur ihrer Fraktion ausspricht, dürfte die Stimmung im Saal treffen. Die Grünen haben langsam die Faxen dicke – von Wissing. Das ist schwer zu überhören. Koalitionsvertrag einhalten?

Beim europaweit geplanten Aus für den Verbrennermotor bei Neuwagen ab 2035 hat FDP-Minister Wissing mit Deutschlands Ablehnung gedroht. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt in Weimar: „Wir sind an einer schnellen Klärung interessiert, die aber belastbar und verbindlich sein muss.“ Das Gesetz zur Beschleunigung langwieriger Planung im Verkehrssektor soll nach Wissings Vorstellung auch für den Bau von Autobahnen gelten. Fraktionschefin Dröge hält dagegen. Planungsbeschleunigung, ja, dringend notwendig: bei Schiene, bei Brücken, bei Netzausbau. Straßen erwähnt sie nicht. Die Grünen wollten endlich wieder, dass sich die Koalition bewege. Dröges Kollegin an der Fraktionsspitze, Britta Haßelmann, wird später sagen, dass am Ende, nach vier Jahren Ampel-Koalition, die Grünen „Erfolge zeigen können“, die die Wählerinnen und Wähler dann auch honorierten.

Drei Tage schließen sich die 188 Frauen und Männer der Grünen-Bundestagsfraktion in Klausur zusammen. In Weimar, der Stadt von Schiller und Goethe, der Dichter und Denker. Es geht um die Ampel, um die Farbe Grün und um Machtfragen. Nachdenken wollen sie über Klimaschutz, sozial-ökologische Transformation und darüber, was die Gesellschaft zusammenhält. Die Mitglieder der Grünen-Bundestagfraktion sagen über sich: Sie seien jünger, weiblicher und diverser als alle Grünen-Bundestagsfraktionen vor ihnen. 16 Mandate haben sie direkt gewonnen. Aber jetzt sind sie in mühseligen Ebene des Regierens angekommen. Die Koalition kommt seit einigen Wochen bei Kindergrundsicherung, Planungsbeschleunigungsgesetz, Verbrenner-Aus und Klimaschutz nicht richtig von der Stelle. Da schafft zumindest Außenministerin Annalena Baerbock eine Klammer für die Ampel-Koalition, wenn sie zum Klausurauftakt über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sagt: „In Frieden zu leben, ist ja kein grüner Wunsch, sondern ein zutiefst menschlicher Wunsch. Das ist das, was alle Menschen wollen.“ Deswegen werde es weitere Waffenunterstützung geben, „damit die Ukraine den Frieden gewinnen kann“.

In einer Beschlussvorlage für diese Weimarer Klausur haben die Grünen schon einmal ihren Plan formuliert, dass sie es mit dem vorgezogenen Kohleausstieg auf 2030 ernst meinen – und zwar für ganz Deutschland. Auch der Osten mit seinen Braunkohlerevieren in der Lausitz soll dabei keinen weiteren Aufschub mehr bekommen und acht Jahre früher aus der Kohleproduktion aussteigen. Denn: Trotz großer Anstrengungen sei Deutschland aktuell nicht auf dem Weg, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. „Kohle, Öl und fossiles Gas haben in einem klimaneutralen Land keinen Platz“, heißt es. Vor allem Braunkohle sei „extrem klimaschädlich“, so die Grünen bei ihrer Klausur in Thüringen, wo im Herbst kommenden Jahres der Landtag neu gewählt wird. Bislang sind die Grünen in Thüringen Teil einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung unter Führung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Die Grünen meinen es so ernst mit dem vorgezogenen Kohle-Ausstieg auch im Osten, dass als Reaktion auf den grünen Ausstiegsplan die Vorsitzenden des Betriebsrates des Energiekonzerns Leag ihre zunächst verabredete Teilnahme an der Fraktionsklausur dann doch wieder absagen. Ende Gelände. Schade, findet Wirtschaftsminister Robert Habeck. Schnell springt der Vorsitzende der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, ein und wird den Abgeordneten digital zugeschaltet. Vassiliadis kennt sich mit Bergbau aus, mit Chemie und mit Energie. Die Grünen wissen: Der Weg hin zur Klimaneutralität führt gerade über diese Branchen.

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